Sehr geehrter Herr Regierungspräsident
Sehr geehrte Herren Regierungsräte
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Geschätzte Damen und Herren
Im Rahmen der am 1. April 1995 in Kraft getretenen Parlamentsreform hat der Grosse Rat in
seiner Geschäftsordnung festgelegt, dass nicht mehr der Regierungspräsident, sondern der
Alterspräsident die Maisession nach der Gesamterneuerung des Parlamentes eröffnet.
Alterspräsident ist das älteste der anwesenden amtsältesten Mitglieder. Diese Voraussetzung trifft
auf mich zu. Es ist mir deshalb eine hohe Ehre, als erster Alterspräsident des Standes Graubünden
amten zu dürfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich heisse Sie als Bisherige oder als Neugewählte ganz herzlich
willkommen. Sie sind in Ihren 39 Kreisen gewählt worden, um in den nächsten drei Jahren die
Bündner Politik massgeblich mitzugestalten. Die Kantonsverfassung hat dem Grossen Rat
wichtige Aufgaben übertragen. Gemeinsam wollen wir diese im Interesse der Bevölkerung unseres
Kantons verantwortungsbewusst erfüllen.
Graubünden ist ein dreisprachiger Kanton. Gemäss der Geschäftsordnung unseres Rates steht es
jedem Mitglied frei, in welcher der drei Landessprachen er sein Votum abgeben will. Jedes
Mitglied ist berechtigt, Übersetzungen gefallener Anträge in die ihm verständliche Sprache zu
verlangen.
Die Mehrheit des Grossen Rates ist deutscher Muttersprache. Besonders begrüssen möchte ich
daher die Vertreter der sprachlichen Minderheiten.
- Desidero dare il benvenuto ai deputati della rimpolpata delegazione proveniente dalle Valli di
lingua italiana, la Valposchiavo, la Valle Bregaglia, la Mesolcina e la Calanca. Sulla base
della nuova ripartizione dei mandati, i circoli di Poschiavo e Mesocco si sono visti assegnare
un nuovo seggio ciascuno. A causa dell'elevata maggioranza assoluta - i cui termini non sono
stati fissati dal Cantone - cinque rappresentanti dell'Italianità hanno dovuto lottare per
mantenere il seggio. Soltanto due giorni fa hanno appreso di poter rappresentare i propri
circoli in Gran Consiglio.
- Jau benevent ils commembers rumantschs dal cussegl grond. Els represchentan ils tschintg
idioms rumantschs. Dapi l'entschatta schaner dispona la populaziun rumantscha d'ina gasetta
communabla, la Quotidiana. Per mai n'esi betg difficil da ma drizzar als deputads rumantschs
en il linguatg communabel da scrittira che duai esser la punt tranter ils singuls idioms,
numnadamain il rumantsch grischun.
I.
Meine Damen und Herren, ich empfinde ein eigenartiges Gefühl, heute als Alterspräsident zu
amten. Letztmals durfte ich vor 32 Jahren von diesem Platz aus ein Parlament leiten, im Amtsjahr
1965 das Bündner Jugendparlament.
Einem Trend in der ganzen Deutschschweiz folgend haben politisch interessierte Jugendliche
1961 das Bündner Jugendparlament in der Form eines Vereins mit Sitz in Chur gegründet. Zweck
dieser Institution war die Interessierung der Jungen an der Politik im Sinne einer aufbauenden
Zusammenarbeit auf demokratischer Grundlage, die staatsbürgerliche und rhetorische Schulung
sowie die Einführung in den parlamentarischen Betrieb. Aktivmitglieder konnten Schweizerinnen
und Schweizer im Alter von 16 - 30 Jahren mit Wohnsitz oder Aufenthalt in Graubünden sein.
Das Parlament tagte in der Regel einmal im Monat in diesem Saal. Eine 5köpfige Exekutive
beantwortete die eingehenden Geschäfte. Einmal im Jahr trafen sich Delegierte aus den
verschiedenen Jugendparlamenten zur gemeinsamen Tagung des Schweizerischen
Jugendparlamentes.
Ende der 60iger Jahre ist das Bündner Jugendparlament, ebenfalls dem schweizerischen Trend
folgend, aufgelöst worden. Es scheiterte u.a. daran, dass die gefassten Beschlüsse zu
Sachgeschäften nicht umgesetzt werden konnten.
Das Bündner Jugendparlament war eine wertvolle staatsbürgerliche Institution. Zahlreiche seiner
Mitglieder bekleideten später oder bekleiden heute noch Ämter auf Gemeindeebene, in den
Kreisen oder im Kanton.
Erneut liegt die Gründung von Jugendparlamenten im Trend. Das ist erfreulich. Dabei sollen die
Jungen Eigeninitiative entwickeln und nicht die Aufgabe dem Staat zuweisen. Sie sollen selber
Strukturen für den Parlamentsbetrieb schaffen. Der Staat soll sie dabei unterstützen. Das Bündner
Jugendparlament der 60iger Jahre genoss eine genügende materielle Unterstützung durch den
Kanton. Einerseits konnte es den Grossratssaal unentgeltlich benützen, andererseits erhielt es
einen jährlichen Beitrag von Fr. 600.--, einen Beitrag, der im kantonalen Budget sogar als
Einzelposition aufgeführt war.
Mir hat das Bündner Jugendparlament viel gegeben. Es hat deshalb seinen Platz in meiner
Ansprache als Alterspräsident verdient.
II.
Meine Damen und Herren, gerner hätte ich die Session mit der Feststellung eröffnet, heute
beginne die letzte Amtsperiode des nach dem Majorzverfahren gewählten Grossen Rates. Leider
darf ich das nicht. Wie Sie wissen, hatte sich der Grosse Rat in der Maisession 1996 mit der
Volksinitiative "Pro Proporz" für ein gerechtes Wahlsystem zu befassen. Diese Initiative sah vor,
dass für Kreise mit drei oder mehr Abgeordneten das System der Verhältniswahl gilt, für die übrigen
Kreise das System der Mehrheitswahl. Der Grosse Rat hat mit 85 : 23 Stimmen beschlossen,
dem Volk die Ablehnung der Initiative zu empfehlen. Die Stimmberechtigten sind am 1.
Dezember 1996 dieser Empfehlung gefolgt, allerdings bei 21'587 Nein und 21'203 Ja nur mit
einer Nein-Mehrheit von 384 Stimmen.
Die Totalrevision der über 100jährigen Kantonsverfassung steht an. Im September werden sich
die Stimmberechtigten zur Grundsatzfrage der Revision äussern. Stimmen sie ihr zu, muss im
Rahmen der Ausgestaltung der neuen Verfassung auch die Frage der Einführung des
Proporzwahlverfahrens für den Grossen Rat diskutiert werden. Wohl garantieren die 39
Wahlkreise eine Vertretung der Talschaften und Regionen. Sie sichern auch eine Vertretung der
sprachlichen Minderheiten. Zu wenig berücksichtigt ist hingegen die möglichst spiegelbildliche
Vertretung aller sozialen, kulturellen und ökonomischen Kräfte, die sich in politische
Gruppierungen zusammenschliessen. Deshalb ist die Repräsentanz der Stimmberechtigten im
Grossen Rat zu verbessern.
Bei der Totalrevision der Kantonsverfassung darf die Frage nach der Einführung des
Proporzwahlverfahrens für den Grossen Rat nicht nur ein Anliegen vorwiegend der
Sozialdemokraten und von kleinen Gruppierungen sein. Auch bürgerliche Vertreter sind
angesichts des knappen Volksentscheides vom 1. Dezember 1996 vermehrt gefordert.
III.
Der 26. März war ein historischer Tag und ein Freudentag für den Kanton Graubünden. Sechs
Jahre nach Baubeginn wurde der 19 Kilometer lange Vereinatunnel der RhB durchbrochen.
Damit wurde der schwierigste, aufwendigste und risikoreichste Bauvorgang an der neuen
Eisenbahnlinie abgeschlossen. Die RhB darf stolz darauf sein, dass das Werk die
Qualitätsanforderungen erfüllt und sowohl terminlich als auch kostenmässig im vorgegebenen
Rahmen liegt, wie Regierungsrat Luzi Bärtsch anlässlich der Durchschlagsfeier feststellen konnte.
Eine entscheidende politische Weichenstellung für den Vereina hatte der Grosse Rat am 3.
Oktober 1984 getroffen. Damals hat er sich im Grundsatz für eine wintersichere Verbindung
zwischen den Regionen Prättigau und Unterengadin ausgesprochen. Anschliessend hat er mit
eindrücklichem Mehr die Vereina-Eisenbahnlinie dem Ausbau der Flüelapassstrasse vorgezogen.
Nach dem Terminplan soll der Vereinatunnel im Frühjahr 2000 in Betrieb genommen werden.
Es handelt sich dabei um die erste Erweiterung des Eisenbahnnetzes der RhB seit 1914 und
zugleich um den längsten Schmalspur-Eisenbahntunnel der Welt.
Die Vereinalinie hat regionale, kantonale und nationale Bedeutung. Zu Recht will die RhB sie
von Anfang an als attraktive und gut frequentierte Verbindung ausgestalten. Das bedingt eine
optimale Einführung in den Markt. In der Oktobersession wird sich der Grosse Rat mit einer
Botschaft der Regierung zu befassen haben, der RhB einen Kantonsbeitrag von Fr. 1,5 Mio. für
das Kommunikationskonzept Vereina zu gewähren. Ich zweifle nicht daran, dass auch der neu
gewählte Grosse Rat für die Anliegen der RhB ein offenes Ohr haben wird.
Bei aller Freude über den Vereina-Durchschlag darf die vom starken Durchgangsverkehr
geplagte Bevölkerung der Prättigauer Gemeinde Saas, die auf die dringend nötige Umfahrung
wartet, nicht vergessen werden. Regierungsrat Luzi Bärtsch hat in der Märzsession dargelegt, dass
das Projekt der Umfahrungsstrasse auf Ende 1999 baureif sein wird. Weiter hat er ausgeführt,
die Regierung werde alles daran setzen, dass die Umfahrung Saas in das Mehrjahresprogramm
2000 - 2003 des Bundes aufgenommen wird. Dieses Anliegen ist mehr als nur berechtigt. In einer
bereits in der letzten Session angekündigten Resolution wird der Grosse Rat diese Woche
Gelegenheit erhalten, seinen Willen zur Umfahrung Saas dem Bund gegenüber kund zu tun.
Damit, meine Damen und Herren, erkläre ich Sitzung und Session als eröffnet.
Jahr: 1998