Stellungnahme von Regierungsrat Joachim Caluori
Am 27. September 1998 stimmen Sie, geschätzte Stimmbürgerinnen und
Stimmbürger, über zwei miteinander eng vernetzte, sehr wichtige
kantonale Bildungsvorlagen ab. Sie haben die Gelegenheit, mit Ihrem JA
zu beiden Vorlagen die Weichen so zu stellen, dass unsere
ausbildungswillige Bündner Jugend in Zukunft gesamtschweizerisch
anerkannte Maturitätsausweise und Lehrdiplome erlangen kann. Mit Ihrem
JA zur Teilrevision des Mittelschulgesetzes und zum Gesetz über die
Pädagogische Fachhochschule schaffen Sie die erforderlichen Grundlagen,
um an Bündner Gymnasien das neue Maturitätsanerkennungsreglement
umzusetzen und um Schwächen in der Lehrerbildung durch verstärkt
praxisorientierte Ausbildungsgänge an der Pädagogischen Fachhochschule
zu beheben. Ich möchte Ihnen anhand von ausgewählten Aspekten darlegen,
weshalb ich mit der Regierung und mit dem Grossen Rat für die
Teilrevision des Mittelschulgesetzes und für das Gesetz über die
Pädagogische Fachhochschule eintrete. Ebenfalls möchte ich Sie auf
einige Auswirkungen einer allfälligen Ablehnung der Vorlagen hinweisen.
Ich bin davon überzeugt, dass Bündner Ausbildungsabschlüsse ihren
Inhabern und Inhaberinnen für die weitere Ausbildung und für die
Berufsausübung Türen öffnen und Perspektiven vermitteln müssen.
Sackgasse-Ausbildungen, die nur im eigenen Kanton anerkannt sind und
junge Menschen in ihrer Entwicklung behindern oder sie ins Abseits
führen, dürfen wir uns nicht leisten. Ihr JA zum teilrevidierten
Mittelschulgesetz und zum Gesetz über die Pädagogische Fachhochschule
gewährleistet, dass junge Menschen mit einem Bündner Maturitätsausweis
auch in Zukunft prüfungsfrei an eine Hochschule übertreten können, weil
die gymnasiale Ausbildung den Bestimmungen des gesamtschweizerisch
geltenden Maturitätsanerkennungsreglementes entsprechen wird. Ihr JA zu
beiden Vorlagen gewährleistet zudem, dass junge Menschen mit einem
Bündner Lehrdiplom in Zukunft ihren Beruf in der gesamten Schweiz
ausüben können, weil die Ausbildungsgänge an der Pädagogischen
Fachhochschule den Anforderungen der gesamtschweizerisch geltenden
Anerkennungsreglemente entsprechen wird. Die in Graubünden ausgebildeten
Lehrkräfte werden hinsichtlich der Berufsausübung gleichgestellt sein
mit unseren jungen Menschen mit einem kaufmännischen Abschluss oder mit
einer gewerblich-industriellen Ausbildung, indem sie ihren Beruf in der
ganzen Schweiz ausüben können. Mit Ihrem JA zu beiden Vorlagen werden
Bündner Ausbildungen jungen Menschen Türen öffnen und Perspektiven
geben.
Aus der Überzeugung und im Wissen, dass Gedeihen und Wohlergehen der
Bündner Bevölkerung und der Bündner Wirtschaft eng verbunden sind mit
hoher Motivation und Leistungsbereitschaft des Einzelnen und mit einem
qualitativ hochwertigen Schul- und Berufsbildungsangebot empfehle ich
Ihnen beide Vorlagen zur Annahme. Mit Ihrem JA zum teilrevidierten
Mittelschulgesetz und zum Gesetz über die Pädagogische Fachhochschule
sagen Sie auch JA zur Förderung der Ausbildungsqualität. Die gymnasiale
Ausbildung wird auf veränderte Anforderungen reagieren und mit der
Umsetzung des Maturitätsanerkennungsreglementes die jungen Menschen
optimal auf ein Hochschulstudium vorbereiten. In der Lehrerbildung
können verschiedene Mängel der heutigen Ausbildungen behoben werden, die
zum Teil - wie die mangelhafte berufspraktische Ausbildung - offen zu
Tage treten. Lehrkräfte sollen in Zukunft verstärkt auf die praktischen
Bedürfnisse in unserem Kanton ausgebildet werden. Praxisorientierte
Ausbildungen der Lehrkräfte dienen nicht zuletzt auch dem Wohl der
Kindergarten- und Schulkinder.
Mit Ihrem JA zu beiden Vorlagen schaffen Sie die Grundlagen für eine
verstärkte Förderung unserer Kantonssprachen, insbesondere von Romanisch
und von Italienisch. Mit der Umsetzung des
Maturitätsanerkennungsreglements soll an Bündner Gymnasien eine
Kantonssprache als zweites Sprachfach angeboten werden und neu wird auch
ein zweisprachiger Maturitätslehrgang angeboten. Der
Zweitsprachenunterricht in der Volksschule erhält einen "Anschluss" am
Gymnasium und Romanisch- und Italienischbünden haben die Chance,
Kadernachwuchsleute mit hoher Sprachkompetenz zu erhalten. Lehrkräfte
werden an der Pädagogischen Fachhochschule ihre Sprachkenntnisse
vertiefen und sich die auf die Bedürfnisse in Bündens Schulen
abgestimmte Sprachkompetenz aneignen. Mit Ihrem JA zu beiden Vorlagen
tragen Sie auch zur Förderung der Kantonssprachen bei.
Ein Ablehnen der beiden Vorlagen hätte für die ausbildungswillige
Jugend, für die betroffenen Ausbildungsstätten und für den Kanton
gravierende nachteilige Konsequenzen:
-
Junge Bündnerinnen und Bündner würden nach dem Jahr 2003
Maturitätsausweise erlangen, die nur noch im eigenen Kanton anerkannt
wären und den prüfungsfreien Zugang zu Universitäten und Hochschulen
nicht mehr gewährleisten könnten. Die jungen Menschen könnten nicht nur
ihre Kenntnisse in den Kantonssprachen am Gymnasium nicht vertiefen; die
gymnasiale Ausbildung in unserem Kanton wäre ganz allgemein nicht mehr
zielführend.
Weil ein Bündner Lehrdiplom nur im eigenen Kanton anerkannt wäre und die
Zulassung zur Berufsausübung auf das Kantonsgebiet eingeschränkt wäre,
ergäbe sich eine Diskriminierung der jungen Bündner Lehrkräfte und eine
Beeinträchtigung ihrer Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Gestützt auf die
1995 angenommene Diplomvereinbarung könnten nämlich Lehrkräfte mit einem
ausserkantonalen, schweizerisch anerkannten Ausbildungsabschluss in
Graubünden gleichberechtigt ihren Beruf ausüben. Das Primarlehrerpatent
würde - wie die gymnasiale Maturität nach alter Ordnung - nicht mehr den
prüfungsfreien Übertritt an eine Universität gewährleisten können, um
z.B. ein Sekundarlehrerstudium zu beginnen.
- Die Seminarien in Chur und Schiers sowie die Bündner Gymnasien
würden darunter leiden müssen, dass sie die erforderlichen Reformen
nicht vornehmen könnten und für Schülerinnen, Schüler und Studierende
aus Graubünden wie auch aus anderen Kantonen kaum attraktiv wären, wenn
sie keinen schweizerisch anerkannten Abschluss vermitteln könnten. Der
Bildungs- und Wirtschaftsstandort Graubünden würde dadurch nach meiner
Überzeugung zu grossen Schaden erleiden. Wenn nicht beide Vorlagen
angenommen würden, könnte insbesondere an der Kantonsschule das
Maturitätsanerkennungsreglement nicht voll umgesetzt werden. Zudem wären
in einer Zeit knapp vorhandener kantonaler Geldmittel umfangreiche
Neubauten notwendig, wenn die Lehrerbildung in Chur zukünftig nicht in
den Lokalitäten der Bündner Frauenschule konzentriert werden könnte und
die Gebäude des Lehrerseminars nicht der Kantonsschule zur Verfügung
gestellt werden könnten.
Nicht nur aus den dargelegten Gründen bin ich davon überzeugt, dass
die Teilrevision des Mittelschulgesetzes und das Gesetz über die
Pädagogische Fachhochschule Ihre Zustimmung verdienen. Felsenfest bin
ich davon überzeugt, dass Sie mit einem wohlüberlegten JA zu beiden
Vorlagen für unsere Jugendlichen Perspektiven eröffnen und für deren
Zukunft die Weichen richtig stellen. Mit Ihrem JA zu beiden Vorlagen
ermöglichen Sie zum Wohle unserer Jugend und der gesamten Bevölkerung in
Graubünden Ausbildungen, die unserer Jugend Türen öffnen und die jungen
Menschen nicht ins Abseits führen!
Gremium: Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement Graubünden
Quelle: dt Regierungsrat Joachim Caluori