Die Bündner Regierung hat die Botschaft zur Teilrevision des
Steuergesetzes verabschiedet. Kernpunkte der Revision sind die Anpassung
an das Bundesrecht und der Wechsel zur einjährigen Gegenwartsbemessung.
Nach einem umfassenden Vernehmlassungsverfahren zu Beginn des Jahres
wurde die Botschaft zur Teilrevision des Steuergesetzes im
Finanzdepartement erarbeitet. Zahlreiche Forderungen aus den
Vernehmlassungen konnten in der Vorlage berücksichtigt werden. Anderen
Wünschen konnte aus finanziellen Gründen nicht entsprochen werden. Die
Regierung hat die Botschaft zuhanden des Grossen Rats verabschiedet. Die
Vorlage wird in der Märzsession im Parlament beraten und in der Folge
dem Volk zur Abstimmung unterbreitet. Das Inkrafttreten ist auf den 1.
Januar 2001 geplant.
Harmonisierung ist zwingend
Auf das Jahr 2001 hin müssen alle Kantone ihre Steuergesetze dem
Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone
und Gemeinden (StHG) anpassen. Im Bereich der zwingenden Bestimmungen
des StHG hat der kantonale Gesetzgeber keinen Gestaltungs-Spielraum, da
das Harmonisierungsrecht direkt Anwendung findet. Dies bedeutet, dass
zahlreiche in der Teilrevision vorgeschlagene Änderungen auch dann
eintreten, wenn sie vom kantonalen Gesetzgeber nicht beschlossen würden.
Zu diesen zwingenden Änderungen gehört beispielsweise die Besteuerung
der AHV- und IV-Renten zu 100 Prozent (heute 80 Prozent).
Abzüge: Spielraum des Kantons ist eingeschränkt
Das Harmonisierungsgesetz enthält insbesondere im Bereich der Abzüge
einschneidende Beschränkungen der kantonalen Autonomie. Mehrere Abzüge
sind generell oder in der heutigen Form nicht mehr zulässig. In der
vorgeschlagenen Teilrevision wurde versucht, diese Auswirkungen des
Harmonisierungsrechts soweit möglich und finanziell tragbar
auszugleichen.
Der Abzug für die Kranken- und Lebensversicherungs-Prämien sowie für
die Sparzinsen muss betraglich limitiert werden. In der Revisionsvorlage
wird diese obere Grenze sehr hoch angesetzt. Der maximal mögliche Abzug
ist höher als in allen übrigen Kantonen.
Der geltende Abzug für Kinder in auswärtiger Ausbildung widerspricht
dem Harmonisierungsgesetz. Aufgrund der besonderen geographischen
Situation im Kanton kann dieser Abzug allerdings nicht ersatzlos
gestrichen werden. Er wird neu als stichtagsbezogener fester Betrag
ausgestaltet, der nicht mehr von den effektiven Kosten abhängt.
Der heutige Abzug für alleinstehende Rentner und Rentnerinnen ist
nicht mehr zulässig. Die Folgen der Streichung dieses Abzugs werden
ausgeglichen, indem die Krankheits- und Pflegekosten neu ohne obere
Beschränkung vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden können.
Gegenwartsbemessung: System der Zukunft
Für die Veranlagung der natürlichen Personen soll die heutige
Vergangenheitsbemessung, bei der das Einkommen aufgrund der in den
Vorjahren erzielten Einkünfte ermittelt wird, durch die
Gegenwartsbemessung abgelöst werden. Bei der Gegenwartsbemessung wird
das steuerbare Einkommen für ein bestimmtes Steuerjahr aufgrund der im
gleichen Jahr erzielten Reineinkünfte ermittelt. Die Einkommens- und
Vermögenssteuern werden im nachfolgenden Jahr veranlagt und bezogen. Der
Systemwechsel erfolgt auch für die direkte Bundessteuer.
Mit der Gegenwartsbemessung kann eine Besteuerung nach der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit weit besser verwirklicht werden.
Gerade in Zeiten starker wirtschaftlicher Veränderungen ist es nötig,
dass Veranlagung und Steuerbezug möglichst nahe an der
Einkommenserzielung erfolgen.
Für den Systemwechsel sprechen auch der Wegfall der
Zwischenveranlagungen und die Entwicklung in den anderen Kantonen. Die
überwiegende Mehrheit der Kantone wird im Jahr 2001 die
Gegenwartsbemessung anwenden. Dieses gerechtere Bemessungssystem wird
sich in der Schweiz durchsetzen; es dürfte schon in wenigen Jahren vom
Bund zwingend vorgeschrieben werden.
Der einzige nennenswerte Nachteil der Gegenwartsbemessung liegt im
administrativen Mehraufwand für Steuerpflichtige und
Veranlagungsbehörden.
Der Wechsel zur Gegenwartsbemessung wird für Bund und Kanton durch
das sogenannte Jahressteuer-Verfahren vollzogen. Die Gegenwartsbemessung
findet schon für das Übergangsjahr 2001 Anwendung. Die in den Jahren
1999 und 2000 erzielten ordentlichen Einkünfte fallen in eine
Bemessungslücke und unterliegen nicht der Einkommensbesteuerung. In
diesen Jahren erzielte ausserordentliche Einkünfte (z.B.
Kapitalabfindungen, aussergewöhnliche Lohnbestandteile) werden mit einer
Jahressteuer erfasst. Auch werden bestimmte ausserordentliche
Aufwendungen steuerlich berücksichtigt (z.B. Beiträge für den Einkauf
von Beitragsjahren in die berufliche Vorsorge, ausserordentliche
Unterhaltskosten für Liegenschaften).
Weitere Änderungen
Neben den erwähnten Kernpunkten der Teilrevision werden zahlreiche
Bestimmungen des heutigen Steuergesetzes geändert.
Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen werden dem Bundesgesetz über
die direkte Bundessteuer angepasst.
Das Steuer-Strafrecht wird einerseits dem Harmonisierungsgesetzes
und andrerseits der Europäischen Menschenrechts-Konvention angepasst.
Für die Kosten der Kinderbetreuung, die im heutigen Recht nicht
abzugsfähig sind, wird neu ein Sozialabzug eingeführt. Damit kann den
zusätzlichen Aufwendungen von alleinerziehenden Eltern und von
Zweiverdiener-Paaren steuerlich Rechnung getragen werden.
Der Domizil- und Holdingstandort Graubünden soll im interkantonalen
Vergleich gestärkt werden.
Finanzielle Auswirkungen
Die Teilrevision des Steuergesetzes fällt in eine Periode, in der
der Kanton mit einer ausgesprochen angespannten Finanzlage zu kämpfen
hat. Trotz intensiven Sparbemühungen musste im Budget für das kommende
Jahr ein Defizit von rund 46 Mio. Franken ausgewiesen werden. Im
Finanzplan für die Jahre 2000 bis 2003 erhöht sich dieses Defizit gar
noch.
Angesichts dieser finanziellen Situation und der Tatsache, dass die
Steuerbelastung der natürlichen Personen im Kanton weit unter dem
schweizerischen Mittel liegt, ist die Regierung der Auffassung, dass nur
ein Teil der Mehreinnahmen, die aus den zwingenden Anpassungen an das
Harmonisierungsgesetz resultieren, weitergegeben werden können.
Gremium: Finanzdepartement
Quelle: dt. Finanzdepartement