Medienorientierung vom 24. April 1998, 10.00 Uhr Hotel Marriott Zürich, Zürich Medienmitteilung
Lenkungsabgabe auf nichterneuerbaren Energieträgern als Eintrittspreis
in den offenen Strommarkt
Gemäss der Regierungskonferenz der
Gebirgskantone (RKGK) ist der Eintrittspreis in den offenen Strommarkt
über eine Lenkungsabgabe auf nicht erneuerbaren Energieträgern zu
bezahlen. Die Mittel der Abgabe sollen während einer Übergangsfrist zur
Finanzierung der nichtamortisierbaren Investitionen sowie zur Förderung
der erneuerbaren Energien verwendet werden. Nach Ablauf der
Übergangsfrist ist die Abgabe staatsquotenneutral
auszugestalten.
Der Wechsel des Marktsystems hat seinen
Preis
Die Strommarktöffnung wird anerkanntermassen unerwünschte
finanzielle und umweltmässige Konsequenzen nach sich ziehen, sofern die
Umstellung des Marktsystems nicht mit entsprechenden Leitplanken
versehen wird. Die wichtigsten Stichworte lauten: "Nichtamortisierbare
Investitionen" (NAI) sowie "Öko-Dumping". Als wichtigste Massnahme zur
Verminderung der negativen Folgen fordert die RKGK die Einführung einer
Lenkungsabgabe auf nichterneuerbaren Energieträgern. Zugleich soll die
Finanzierung von NAI an strenge Kriterien geknüpft werden. Vorgeschlagen
wird eine Verpfändungs- und Rückzahlungspflicht.
Gewählter
Lösungsansatz zu unsicher
Der Entwurf für ein
Elektrizitätsmarktgesetz (Entwurf-EMG) versucht das Problem der NAI mit
zwei Massnahmen zu lösen. Zum einen mit einer schrittweisen
Marktöffnung. Die unvermeidbaren NAI sollen sodann von der
Elektrizitätswirtschaft über einen Zuschlag auf dem Stromtransport
finanziert werden. Die RKGK erachtet dieses Modell - mit Ausnahme des
Kantons Nidwalden - aber aus folgenden Gründen für wenig
realistisch:
1. Wer die NAI mit einer verzögerten Öffnung des Marktes
auffangen will, unterschätzt die Marktkräfte. Eine Mehrheit der
EU-Mitgliedstaaten wird eine deutlich höhere als die minimal von der EU
vorgeschriebenen Marktöffnungsquoten anstreben. Damit gerät die
schweizerische Elektrizitätswirtschaft unter Zugzwang. Will sie nämlich
in den interessanten ausländischen Märkten Fuss fassen, muss die Schweiz
ihren Markt aus Gründen der Reziprozität ebenfalls rasch öffnen. Die
schrittweise Öffnung läuft zudem Gefahr, im inländischen Markt durch den
Bau neuer Gaskombikraftwerke sowie neuer Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen
unterlaufen zu werden. Statt Überkapazitäten abzubauen, werden so
zusätzliche geschaffen, was die energie- und umweltpolitischen Probleme
verschärft.
2. Das im Entwurf-EMG vorgesehene NAI-Modell baut auf
die Freiwilligkeit der Elektrizitätsbranche. Es wird den einzelnen
Elektrizitätsverteil- und versorgungsunternehmungen (EVU) überlassen,
einen Zuschlag auf dem Preis für die Lieferung von Elektrizität zu
erheben. Den NAI-Zuschlag einem geografisch bestimmten
(Versorgungs-)Gebiet anzulasten ist sachlich unhaltbar, weshalb dies zu
unhaltbaren Rechtsungleichheiten führen würde. Folglich kann höchstens
eine Lösung in Frage kommen, bei welchen sämtliche Endverbraucher in der
Schweiz gleichmässig mit einem NAI-Zuschlag belastet werden. Aufgrund
der doch sehr unterschiedlichen Interessenlage in der
Elektrizitätsbranche hegen wir jedoch ernsthafte Zweifel an der für die
Erhebung eines gesamtschweizerischen Zuschlages zwingend notwendigen
Solidarität.
Die Lenkungsabgabe als das zuverlässigere
Instrument
Mit einer Lenkungsabgabe auf nichterneuerbaren
Energieträgern werden die NAI verkleinert und gleichzeitig verfügt man
über ein zuverlässiges Instrument um die unvermeidbaren NAI zu
finanzieren. Weiter dienen die geäufneten Mittel auch zur Förderung der
erneuerbaren Energien. Bei einer Abgabe von 0,6 Rp./kWh resultiert bei
einer stufenweisen Erhöhung in den ersten vier Jahren, nach zwölf Jahren
ein Gesamtbetrag von zehn Milliarden Franken. Dieser Betrag wird während
der Übergangsfrist von zwölf Jahren je hälftig (0,3 Rp./kWh) zur
Abgeltung von NAI und zur Förderung der erneuerbaren Energieträger
Wasserkraft, Sonnenenergie, Holz, andere Biomasse etc. sowie zur
Förderung der Energieeffizienz verwendet. Nach Abschluss der
Übergangsfrist soll die gesamte Lenkungsabgabe zur Senkung der
Lohnnebenkosten direkt an die Bevölkerung und Wirtschaft zurückfliessen.
Dasselbe gilt für Mittel, die während der Übergangsfrist zur Abgeltung
von NAI geäufnet worden sind aber allenfalls nicht benötigt werden. Die
Lenkungsabgabe auf nichterneuerbaren Energieträgern ist das
zuverlässigere und flexiblere Instrument, um die negativen Folgen der
Strommarktöffnung abzufedern und aufzufangen.
Strengere Kriterien
für NAI
Die NAI sind auf schwerwiegende Fälle zu beschränken. Um dies
zu gewährleisten sind strenge Kriterien für die Abgeltung der NAI
festzulegen. Die Bezüger von Abgeltungen sollen ihre Werke
beispielsweise verpfänden müssen. Sollte sich der Geschäftsgang später
wieder verbessern, müssten die Entschädigungen wieder zurückbezahlt
werden. Wenn eine restriktive Unterstützungspolitik verfolgt wird, und
wenn alle Möglichkeiten zur Begrenzung des finanziellen Aufwandes
ausgeschöpft werden, genügt die Hälfte der bescheidenen Abgabe von 0,6
Rp/kWh um die gefährdete einheimische Produktion während der
Übergangsfrist von zwölf Jahren um die NAI-Probleme zu
lösen.
Schweizerischen Netzgesellschaft wird befürwortet
Das
Übertragungsnetz wird auch im geöffneten Markt ein Monopolbereich
verbleiben. Bei Ausgestaltung des Netzbetriebes sind deshalb hohe
Anforderungen an die Unabhängigkeit, Nichtdiskriminierung, Objektivität,
Transparenz (Entschädigung, Verantwortlichkeit etc.), Effizienz, und
Vertraulichkeit zu stellen. Die heutigen Betreiber von
Übertragungsnetzen, sind aber teilweise auch in anderen Bereichen der
Elektrizitätsversorgung tätig, weshalb sie, würde keine gesonderte
Netzgesellschaft gebildet, über erhebliche Informationsvorsprünge und
daher Wettbewerbsvorteile verfügten. Die erwähnten Grundsätze vermag
deshalb eine privatrechtlich organisierte, Schweizerischen
Netzgesellschaft am besten zu wahren.
Kündbarkeit bestehender
Verträge wird abgelehnt
Die vorgesehene Auflösung bestehender Verträge
wird abgelehnt. Heute besteht ein äusserst komplexes System von
Energieliefer- und bezugsverträgen. Diese sind auf Langfristigkeit
ausgelegt worden. Bei Elektrizitätslieferbestimmungen in
Konzessionsverträgen würden die Konzessionsverträge gesamthaft, d.h. in
ihrer Substanz in Frage gestellt, weil gerade die ausgehandelten
Elektrizitätslieferungen regelmässig die grösste Gegenleistung des
Konzessionärs für das verliehene Wassernutzungsrecht darstellen. Weiter
sagt der Entwurf-EMG nichts darüber, wie Verträge mit ausländischen
Elektrizitätsunternehmungen behandelt werden. Konsequenterweise müssten
auch solche Verträge aufgelöst werden können, ansonsten sich
schweizerische Unternehmungen plötzlich mit stossenden Situationen
konfrontiert sähen.
Gremium: Regierungskonferenz der Gebirgskantone
Quelle: dt Standeskanzlei Graubünden