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Die Bündner Regierung unterstützt in ihrer Stellungnahme an Bundesrat Kaspar Villiger die vorgeschlagene Ausgestaltung des neuen Finanzausgleichs zwischen Bund und Kantonen. Sie setzt dabei voraus, dass an den vorgesehenen Elementen zur Abgeltung von spezifischen Berggebietslasten ("Kosten der Weite") keine Abstriche vorgenommen werden.
Das vorgelegte Projekt bildet die kühnste und konsequenteste Föderalismusreform der Schweiz, die in den letzten 50 Jahren an die Hand genommen wurde. Sie ist von entsprechend grosser staats- und finanzpolitischer Bedeutung, dies insbesondere für den Rand- und Gebirgskanton Graubünden. Die offensichtlichen Mängel der geltenden Regelung lassen sich nur mit einer grundlegenden Reform ausreichend korrigieren. Das vorliegende Reformprojekt dürfte die letzte grosse Chance sein, den Föderalismus zu erneuern und die Kantone - wie auch den Bund - nachhaltig zu stärken. Taugliche Alternativen sind nicht in Sicht. Die Bündner Regierung unterstützt daher die beabsichtigte Aufgabenentflechtung zwischen dem Bund und den Kantonen, die neuen partnerschaftlichen Zusammenarbeitsformen, den politisch steuerbaren Ressourcenausgleich und die Gefässe zur gezielten Abgeltung von Sonderlasten der Gebirgskantone einerseits und der Zentren andererseits. Die Regierung fordert dabei eine möglichst integrale Umsetzung des gesamten Projekts.
Das NFA-Projekt wurde von einer aus Vertretern des Bundes und der Kantone gemeinsam getragenen Projektorganisation erarbeitet. Der zur Vernehmlassung anstehende Schlussbericht vom 31. März 1999 konkretisiert die Grundzüge des Berichts vom Februar 1996. Die Reformpläne sind heute wesentlich greifbarer als noch vor gut drei Jahren. Die wesentlichsten Forderungen des Kantons Graubünden in seiner Stellungnahme vom Juli 1996 sind im neuen Konzept berücksichtigt. Wird die Reform wie dargelegt umgesetzt, braucht der Kanton Graubünden keine Einbussen in der ursprünglich hochgerechneten Grössenordnung von 70 bis 150 Mio. Franken zu befürchten. Im Übergangsjahr darf aus heutiger Sicht in etwa mit einer ausgeglichenen Bilanz gerechnet werden. Die Konzeption des NFA trägt - soweit heute erkennbar - den überlebenswichtigen Anforderungen der Rand- und Gebirgskantone weitgehend Rechnung. Die verschiedenen Elemente des NFA sind im Vernehmlassungsbericht jedoch sehr unterschiedlich stark konkretisiert. Die Stellungnahme der Regierung steht daher unter dem Vorbehalt der konkreten Ausgestaltung, das heisst der Aufnahme von Korrekturen und Ergänzungen in Projektbestandteilen, die Graubünden in besonderem Mass treffen.
Besondere Anliegen und Forderungen der Regierung:
Das vorliegende NFA-Konzept entspricht noch nicht in allen Punkten den Vorstellungen der Regierung. Die wichtigsten Korrekturanträge beziehen sich auf folgende Projektbestandteile :
- breitere Abstützung des Ressourcenindexes, möglicherweise unter Beizug der bisherigen Steuerkraft und des Volkseinkommens;
- Einbezug sämtlicher Kantone in den Ressourcenausgleich;
- Verzicht auf den vorgesehenen weiteren Abbau der Bundesbeiträge an den Hauptstrassenbau;
- Verzicht auf eine Kürzung der allgemeinen Beiträge aus den Mineralölsteuern und Anpassung des Verteilschlüssels ohne finanzielle Einbussen für die Gebirgskantone;
- Insgesamt stärkeres finanzielles Engagement des Bundes;
- Sicherstellung der Altershilfe über die Institutionen Pro Senectute, Schweizerisches Rotes Kreuz und SPITEX-Organisationen.

Ausgangslage:
Unter Einbezug der Bundesbeiträge an die RhB erhält Graubünden jährlich über 800 Mio. Franken vom Bund. Dies entspricht über 45 Prozent der kantonalen Gesamteinnahmen. Die Abhängigkeit vom Bund ist entsprechend gross; dies nicht nur in Aufgaben mit primärer Zuständigkeit des Bundes (z.B. Militär, Landwirtschaft und Nationalstrassen), sondern auch in sehr bedeutenden kantonalen Aufgabenbereichen (z.B. Wald, Hauptstrassen, Abfall- und Abwasseranlagen, Altershilfe, Zivilschutz, Sonderschulung etc.). Der Bund diktiert im Wesentlich Art und Umfang der Aufgabenerfüllung.
Das bisherige Ausgleichssystem stützt sich auf eine kaum mehr überschaubare Zahl von Einzelmassnahmen ab, was eine gezielte Steuerung verunmöglicht, mit falschen Anreizstrukturen zur Verschwendung öffentlicher Mittel verleitet und die kantonale Eigenständigkeit stark beeinträchtigt. Die Mängel des geltenden Systems werden in besonderem Mass für die Gebirgs- und Randkantone immer stärker spürbar. Vor allem die politische Entwicklung in den 90-er Jahren hat die Position der Gebirgskantone nachweislich stark geschwächt. Der Reformbedarf ist ausgewiesen und dringend.
Aufgabenentflechtung:
Die Aufgaben zwischen dem Bund und den Kantonen sollen soweit möglich und sinnvoll entflochten und der Finanzausgleich einfach, transparent, effizient und steuerbar ausgestaltet werden. Die Aufgaben soll wieder derjenige erfüllen, der dies im konkreten Fall am besten kann. Damit werden der Bund und die Kantone gestärkt.
Von den heute gut 50 Verbundaufgaben sollen neu sechs Aufgaben ganz dem Bund, 15 Aufgaben vollständig den Kantonen und 25 Aufgaben mittels Teilentflechtung oder grundlegenden Anpassungen der Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen neu gestaltet werden. Die gesamte Entflechtungsmasse beträgt 5.3 Milliarden Franken. Damit werden wertmässig mehr als 40 Prozent der heutigen Aufgabenverbunde entflochten. Der Bund konzentriert sich auf seine Kernaufgaben und die Kantone gewinnen mehr Handlungsspielraum. 43 Mio. Franken der bisher zweckgebundenen Bundesmittel erhält der Kanton Graubünden neu in frei verfügbarer Form. Zudem fallen feste kantonale Beitragsverpflichtungen an die AHV, IV und die Familienzulagen in der Landwirtschaft von jährlich gut 35 Mio. Franken weg.
Die Regierung ist sich bewusst, dass die vorgesehene Aufgabenentflechtung die Bereitschaft abverlangt, gewisse kantonale Unterschiede in der Art und Weise des Aufgabenvollzugs zu akzeptieren. Die Kantone sollen die Möglichkeit haben, innovative und bedarfsgerechte Lösungen zu verwirklichen. Selbstverständlich haben alle Kantone ein ausreichendes Grundangebot sicherzustellen. Für bedeutende Aufgaben, die einen landesweiten Minimalstandard erfordern, werden einheitliche Rahmenbedingungen zu schaffen und zu akzeptieren sein. Dazu gehören namentlich der Bereich der bisher kollektiven IV-Leistungen und die Sonderschulung. Verschiedene Aufgaben werden in enger Koordination unter den Kantonen zu definieren und zu erfüllen sein.
Interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich:
Die Regierung anerkennt die interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich (ILA) als Bestandteil des NFA. Betroffen sind vor allem die kantonalen Universitäten, die Fachhochschulen, die Spitzenmedizin und die Sonderschulung. Die Zusammenarbeit unter den Kantonen soll verstärkt und damit - unter anderem - die Abhängigkeit vom Bund vermindert werden. Kantone, die Leistungen von anderen beziehen, haben diese angemessen zu entschädigen. Bei der Ermittlung der Ausgleichsbeiträge für die Leistungsanbieter sind unter anderem Standortvorteile und Wanderungsgewinne der Anbieterkantone zu berücksichtigen. Ein Lastenausgleich ist zudem ausdrücklich nur für eindeutig definierbare Leistungen mit erheblichen Kosten vorzusehen. Es kann nicht darum gehen, die Administration aufzublähen und unzählige Ausgleichszahlungen zwischen den Kantonen auszulösen.
Skeptisch äussert sich die Regierung zu allzu direktiven Instrumenten (obligatorische Zusammenarbeit; Allgemeinverbindlichkeitserklärungen). Diese können nur Ultima Ratio gegenüber der freiwilligen und offenen Zusammenarbeit unter souveränen Kantonen sein. Gegenüber den heute praktizierten Konkordatslösungen sind die neuen Zusammenarbeitsformen demokratisch besser legitimiert und gerechter. Dabei kommt dem Bund eine wichtige Steuerungsfunktion zu, indem er notfalls die beiden Instrumente der Allgemeinverbindlichkeitserklärung und der Beteiligungspflicht einführt. Der Bund soll sowohl Schutz vor einer Ausbeutung bzw. Aushöhlung der Souveränität der Kantone bieten als auch gegen Trittbrettfahrer vorgehen können.
Ressourcenausgleich:
Die Regierung unterstützt den vorgeschlagenen Mechanismus des Ressourcenausgleichs (horizontaler Disparitätenabbau und vertikale Mindestausstattung) von der Konzeption her. Damit sollen die - erheblichen und staatspolitisch problematischen - Unterschiede in der finanziellen Leistungskraft der Kantone wirksam abgebaut werden. Gemäss den Modellannahmen im NFA-Bericht werden über diese Kanäle jährlich 1'900 Mio. Franken zu Gunsten der finanzschwachen Kantone umverteilt. Dieses Umverteilungsvolumen ist eine vom Parlament steuerbare Grösse.
Der vorgesehene Ressourcenindex basiert allein auf dem Steuerpotenzial der einzelnen Kantone. Dieser Indexwert ist im Zeitablauf starken Schwankungen unterworfen. Die Planbarkeit und Stabilität des Ressourcenausgleichs ist angesichts des jährlichen Volumens von beinahe zwei Milliarden Franken nicht hinreichend gegeben. Der Index sollte statistisch breiter abgestützt werden. Es sind ergänzende Grössen wie z.B. die bisher verwendete Steuerkraft und insbesondere das Volkseinkommen beizuziehen.
Vom Ressourcenausgleich nicht erfasst werden Kantone mit einem Indexwert zwischen einer politisch festzulegenden unteren Schwelle (im Bericht als Annahme 87 Punkte) und 100 Punkten. Davon betroffen sind sechs Kantone. Dazu zählt auch der Kanton Graubünden. Die Regierung bemängelt diesen Sachverhalt als Systemfehler. Der Ressourcenausgleich ist in der Detailausgestaltung so anzupassen, dass sämtliche Kantone mit einer unterdurchschnittlichen Finanzkraft Ausgleichsmittel erhalten.
Belastungsausgleich für die Gebirgskantone und die Zentren:
Zur teilweisen Abgeltung von besonderen Lasten der Gebirgskantone einerseits und der Zentrumskantone andererseits wird je ein Belastungsausgleich mit einem jährlichen Volumen von 210 Mio. Franken geschaffen. Die Regierung anerkennt die Notwendigkeit, auch die Zentrumslasten mit einem Ausgleichsbetrag abzugelten. Der vorgesehene Betrag für den geografisch-topografischen Belastungsausgleich darf auf keinen Fall unterschritten werden. Auf den Kanton Graubünden entfallen davon gut 100 Mio. Franken. Dieses Volumen ist erforderlich, um die kaum beeinflussbaren Sonderlasten in den Bereichen Wald, Schutz vor Naturereignissen, Hochwasserschutz und Hauptstrassen so weit abzudecken, dass sie - pro Einwohner/in umgerechnet - den Durchschnitt aller Kantone um höchstens 50 Prozent übersteigen.
Weitere Schritte:
Bis zur Umsetzung der Reform wird es noch vier bis fünf Jahre dauern. In einer ersten Etappe stehen eine Teilrevision der Bundesverfassung sowie eine Totalrevision des eidgenössischen Finanzausgleichsgesetzes zur Diskussion. Erst danach werden die Rechtsgrundlagen in den einzelnen Aufgabenbereichen angepasst. Die Regierung verlangt eine Mitwirkungsmöglichkeit der Kantone bei der anschliessenden Anpassung der Bundesgesetze.

Gremium: Regierung
Quelle: dt Finanz- und Militärdepartement Graubünden
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