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Hochstamm-Obstgärten sind ein Kulturgut, das von Bauernfamilien geschaffen und gepflegt wird. Im Gebirgskanton Graubünden prägen sie mit ihren Frühjahrsblüten, Früchten und Herbstfarben die Landschaft tiefer gelegener Regionen wie Herrschaft, Fünf Dörfer, unteres Prättigau, Gruob und Domleschg. Diese Gebiete waren bis über die Jahrhundertwende hinaus bedeutende Obstproduzenten und exportierten Jahr für Jahr ganze Eisenbahnzüge voller Früchte ins Ausland. Auch bei den Feriengästen in den prominenten Kurorten war Bündner Obst als Delikatesse gefragt. Heute stammt nur noch ein kleiner Teil der Rohprodukte von Bündner Nusstorte und Bündner Birnbrot aus Graubünden.
In den letzten Jahrzehnten hat in der ganzen Schweiz der Bestand an Hochstamm-Obstbäumen um rund 70 Prozent abgenommen und Graubünden bildet hier keine Ausnahme. 1951 wurden im Kanton noch fast 300'000 Hochstamm-Obstbäume gezählt, heute sind es noch 40'000 - 50'000 und die Tendenz ist weiter sinkend! Viele Hochstamm-Obstgärten sind heute wirtschaftlich nicht mehr interessant. Die Ernte von Hochstammobst ist zeitintensiv und nicht ungefährlich. Damit die Bäume einen vollen Ertrag liefern, müssen sie regelmässig geschnitten werden. Die Bäume werden deshalb gefällt. Damit wird nicht nur die Landschaft ärmer, sondern es geht auch ein altes Kulturgut verloren. Ein typisches Element der bäuerlichen Kulturlandschaft droht zu verschwinden.
Hochstamm-Obstbau beruht heute zu einem grossem Teil auf Idealismus der Bewirtschafter und Bewirtschafterinnen. Obstgärten wurden über Generationen hinweg gepflanzt und gepflegt und neue, an das örtliche Klima angepasste Sorten wurden gezüchtet. Die Anzahl der Obstsorten wird in der Schweiz auf über 3000 geschätzt. Allein im Domleschg wurden bis heute rund hundert Apfel- und vierzig Birnensorten bestimmt. Diese haben wohlklingende Namen wie Fraurotacher, Minister von Hammerstein, Himbeerapfel, Kaiser Wilhelm, Schöner von Nordhausen, Celerina oder Verzückung. Jede Sorte hat ihre Eigenheiten wie frühe oder späte Reife, Anpassung an höhere Lagen oder sie unterscheidet sich von anderen Sorten bezüglich ihrer Eignung als Tafel-, Koch-, Dörr- oder Mostobst. In Niederstammanlagen, welche auch in Graubünden zunehmen, lassen sich aber nur relativ wenige Sorten ziehen.
In traditionellen Obstgärten ist nicht nur eine Vielfalt an Obstsorten zu finden, auch zahlreiche Pflanzen und Tiere fühlen sich hier wohl. Bei einer extensiven oder wenig intensiven Bewirtschaftung der Wiese finden zahlreiche Insekten, darunter viele Nützlinge wie Marienkäfer, Schlupfwespen, Flor- und Schwebefliegen ihre Nahrung. Diese wiederum locken Fledermäuse und viele zum Teil sehr seltene Vögel an: Baumpieper, Gartenrotschwanz, Grünspecht, Kleinspecht, Wendehals und Wiedehopf sind typische Bewohner von Hochstamm-Obstgärten.
Obstgärten haben ähnlich wie der Wald eine positive Wirkung auf die lokalen klimatischen Verhältnisse; sie bieten Schutz vor starken Windeinflüssen und Regenfällen und verhindern an Steilhängen und Kulturterrassen die Bodenerosion. Im Sommer bieten sie angenehme Schattenplätze für Vieh und Mensch.
Da Obstgärten mehrheitlich in der Nähe von Höfen angelegt wurden, liegen sie heute oft in der Bauzone. Durch Bautätigkeit verschwinden jährlich zahlreiche Obstbäume. In der Landwirtschaft stellen die Bäume oft ein Hindernis für die maschinelle Bewirtschaftung dar. Bewirtschaftern von Obstgärten zahlt der Bund jährlich 15 Franken pro Baum. Dieser Beitrag ist aber zu gering, um einen Anreiz zur Erhaltung oder gar Neupflanzung von Bäumen zu bieten.
Im Rahmen verschiedener Projekte wurden in den letzten Jahren in einigen Gebieten des Kantons neue Bäume gepflanzt. Im Domleschg, in Trin, Trimmis und Malans werden diese Projekte massgeblich vom Fonds Landschaft Schweiz (FLS) unterstützt. Der Fonds Landschaft Schweiz wurde im Jubiläumsjahr 1991 vom Bund zur Erhaltung von Kulturlandschaften eingerichtet.
Gestützt auf diese Erfahrungen haben das Amt für Landwirtschaft und das Amt für Landschaftspflege und Naturschutz gemeinsam eine Arbeitshilfe für Landwirte, Vereine und Gemeinden geschaffen, die rund 60 Wege zur Erhaltung der Hochstamm-Obstgärten im Kanton aufzeigt. Die Arbeitshilfe enthält auch eine Liste von Sorten, die sich für die Pflanzung in höheren Lagen eignen. Zahlreiche Adressen ermöglichen eine Kontaktnahme mit zuständigen Amtsstellen, anderen Vereinen und Leuten, die schon Erfahrungen mit der Förderung und Pflege von Hochstamm-Obstbäumen gemacht haben. Die Arbeitshilfe kann von interessierten Personen beim Amt für Landschaftspflege und Naturschutz, Rohanstrasse 5, 7000 Chur zum Preis von 15 Franken bezogen werden.

Gremium: Landwirtschaftsamt und Amt für Landschaftspflege und Naturschutz Graubünden
Quelle: dt Amt für Landschaftspflege und Naturschutz
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