Von Regierungsrätin Dr. Eveline Widmer-Schlumpf, Vorsteherin des Finanz- und
Militärdepartementes
Am kommenden 13. Juni haben Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nicht
nur Gelegenheit, über verschiedene eidgenössische Vorlagen zu befinden,
sondern auch über die Teilrevision des kantonalen Steuergesetzes. Mit
dieser nimmt der Kanton Graubünden eine Anpassung an das
Steuerharmonisierungsgesetz des Bundes vor. Diese Anpassung ist
zwingend, würden doch diverse Bestimmungen des
Steuerharmonisierungsgesetzes auch dann am 1. Januar 2001 in Kraft
treten, wenn die vorliegende Teilrevision abgelehnt werden sollte.
Regierung und Grosser Rat haben es aber nicht bei einer blossen
Anpassung bewenden lassen; sie haben vielmehr zusätzlich verschiedene
Bestimmungen geschaffen, die sich zu Gunsten der Steuerpflichtigen
auswirken und einen Schritt in Richtung mehr Steuergerechtigkeit
bedeuten. Zu diesen Bestimmungen zählen namentlich die Entlastung der
sozial Schwächeren, der Abzug für Kinder in auswärtiger Ausbildung, der
Kinderbetreuungsabzug und der Wechsel von der zweijährigen
Vergangenheits- zur einjährigen Gegenwartsbemessung.
Das revidierte Steuergesetz sieht vor, dass Alleinstehende mit einem
steuerbaren Einkommen von weniger als 10'000 Franken und Verheiratete
mit einem steuerbaren Einkommen von weniger als 12'000 Franken keine
Einkommenssteuer mehr zu bezahlen haben. Mit der Zustimmung zur
Teilrevision können wir damit die unteren Einkommensschichten entlasten.
Die Kosten für auswärtige Ausbildung der vom Steuerpflichtigen
unterhaltenen Kinder können nach geltendem Recht bis maximal 10'400
Franken in Abzug gebracht werden. Dieser Abzug, der vom effektiven
Aufwand abhängig ist, wird vom Steuerharmonisierungsgesetz nicht
zugelassen. Der Abzug für Kinder in auswärtiger Ausbildung wird aber mit
der Teilrevision nicht etwa gestrichen; er wird vielmehr in einen vom
Steuerharmonisierungsgesetz zugelassenen Sozialabzug umgewandelt. Das
geschieht dadurch, dass der Ausbildungsabzug unabhängig von den
tatsächlichen Ausgaben als stichtagsbezogener fester Betrag gewährt wird.
Um den tatsächlichen Verhältnissen besser Rechnung tragen zu können,
sieht das neue Gesetz zwei unterschiedliche Ausbildungsabzüge vor: Einen
Abzug von 1'600 Franken für Kinder, die von der auswärtigen Ausbildung
jeden Tag an den Wohnort zurückkehren und einen Abzug von 7'800 Franken
für Kinder, die nicht nur auswärts in Ausbildung sind, sondern sich
während der Woche auch ausserhalb ihres Wohnortes aufhalten. Sollte die
Teilrevision des Steuergesetzes abgelehnt werden, könnte ab dem Jahr
2001 überhaupt kein Ausbildungsabzug mehr geltend gemacht werden.
Im heutigen Steuergesetz findet sich kein Kinderbetreuungsabzug. Mit
der Teilrevision des Steuergesetzes wird ein solcher Abzug neu
geschaffen. Dadurch wird einem berechtigten Anliegen, namentlich aus
Frauenkreisen, Rechnung getragen. Der Kinderbetreuungsabzug kann von
allein stehenden Eltern sowie von Zweiverdienerehepaaren, die zusammen
zu mehr als 120 Prozent erwerbstätig sind, geltend gemacht werden. Die
Höhe des Abzuges beträgt 2'600 Franken pro Kind. Bei einem Nein des
Stimmvolkes zur Teilrevision könnte dieser Abzug nicht eingeführt
werden.
Bei der Ermittlung des steuerbaren Einkommens wird heute auf
Einkünfte abgestellt, die in den Vorjahren erzielt wurden; man spricht
diesbezüglich von der Vergangenheitsbemessung. Mit der Teilrevision wird
ein Wechsel zur Gegenwartsbemessung vorgenommen. Danach wird die
Einkommenssteuer nach Massgabe der im betreffenden Jahr auch tatsächlich
erzielten Einkünfte in Rechnung gestellt. Im Gegensatz zur
Vergangenheitsbemessung geht die Gegenwartsbemessung von den
tatsächlichen Verhältnissen aus. Damit erweist sich die
Gegenwartsbemessung als das gerechtere System, das der Besteuerung nach
der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit weit besser Rechnung trägt,
indem Einkommensschwankungen schneller berücksichtigt werden, als dies
bei der Vergangenheitsbemessung der Fall ist. Überdies verläuft auch die
Entwicklung in allen anderen Kantonen zu Gunsten der
Gegenwartsbemessung; der Kanton Graubünden kann sich dieser Entwicklung
nicht verschliessen.
Mit der Annahme der Teilrevision des kantonalen Steuergesetzes kann
verhindert werden, dass das Steuerharmonisierungsgesetz direkt Anwendung
findet, was insbesondere für die natürlichen Personen erhebliche
Mehrbelastungen zur Folge hätte. Gerade mit der Einführung der
Gegenwartsbemessung, der Entlastung der unteren Einkommensschichten
sowie der Schaffung eines Kinderbetreuungsabzuges bringt diese
Teilrevision mehr Steuergerechtigkeit. Sie schafft aber auch einen
Ausgleich zwischen den auf Grund des Steuerharmonisierungsgesetzes
zwingenden Mehrbelastungen und den durch den kantonalen Gesetzgeber
eingeführten Steuerentlastungen. Ihre Annahme liegt deshalb in unser
aller Interesse.
Gremium: Finanzdepartement Graubünden
Quelle: dt Regierungsrätin Dr. Eveline Widmer-Schlumpf