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Am Samstag, 14. Oktober, 14 Uhr, wird in Miralago (Valposchiavo) die neu renovierte Kapelle San Gottardo eingeweiht.
Mittelpunkt des Weilers Miralago ist die Kapelle San Gottardo aus dem späten 17. Jahrhundert. Ihr Grundstein wurde nach der Urkunde im Pfarrarchiv am 8. Juni 1682 gelegt.
Die im Turm hängende Glocke trägt die Inschrift: " PAOLO ANTONIO GAFFORI MI FECE IN PUSCHLAVO MDCL XXXIX (1689)". Das Glockendatum dürfte wohl den Abschluss des Kirchenbaus wiedergeben, die Weihe erfolgte nach dem eingemeisselten Datum der Eingangsstufe erst im Jahr 1694.
1909 erfolgte eine Neubemalung, welche an der Schildbogenwand des eingezogenen Chors vom ausführenden Künstler signiert ist: V. Mascioni. Er war ein begabter, ja virtuoser Kirchenmaler, der den Chorschildbogen, die Stirnseite des Chorbogens und den Architrav (Gesimsband) in gekonnter Malerei mit plastischen Neu- Renaissance-Ranken in Rot- und Orangetönen zierte.
Die hoch barocke Kapelle ist ein nach Westen gerichteter Rechtecksaal aus zwei Jochen mit eingezogenem Altarhaus. Südseits an die Chorschulter ist die Sakristei mit Kreuzgratgewölbe und Kanzeltreppe angebaut, gegenüber der elegante Turm, dessen Glockengeschoss Rundbogenfenster mit Viereckblenden zieren und dessen Abschluss ein gestufter Achtecktambour krönt.
Die 1974 gebaute Umfahrungsstrasse von Miralago hat wohl den Kern der Siedlung vor dem überbordenden Durchgangsverkehr befreit, aber die Lärmimmission der auf Dachhöhe vorbeibrausenden Autos ist an Sommertagen enorm. Dass die Automobilisten den eleganten Turm dank dieser Strassenführung aus der Kavaliersperspektive wahrnehmen, führt leider kaum zu höflicherer Fahrweise.
1974 wurden der Kirchenzugang, der nordseits angebaute Brunnen und das schadhafte Kirchendach erneuert. Dank dieser Instandstellung wurden die bereits deutlich sichtbaren Wassereinbrüche sowie die daraus entstehenden Putz- und Malereischäden am Gewölbe gestoppt.
An der Eingangsfassade, die vier Lisenen unter einem Dreieckgiebel gliedern, erkennt man über dem 1974 erneuerten Eingangsportal ein Wandbild des Heiligen Godehard (San Gottardo) im vollen Ornat des Bischofs. Die gutgemeinten Sicherungen des Jahres 1974 haben zu grossen und starken Verlusten der Bildfläche durch Abplatzungen der damals geklebten Flicke geführt.

Die Wandmalerei
Die sorgfältige Untersuchung des aus Miralago stammenden Restaurators Ivano Rampa hat die ursprüngliche Fassung (Bemalung) der Kirche sowohl aussen wie innen, aber auch die Übermalung im Innern aus den Jahren 1836 und 1909 sehr klar belegen können. Aussen war die Kapelle al fresco (also in den feuchten Kalkverputz) weiss gekalkt. Im Innern liess sich die ursprüngliche Fassung aus dem Jahr 1694 deutlich nachweisen, nämlich weiss gekalkte Wände, Gewölbe und Gesimsprofile, in altrosa getönte Wände des Chors und der Frontseite der Chorbogenwand. Der Architrav war mit bunten Blumenranken bemalt. Anlässlich einer weiteren Erneuerung im Jahr 1836 wurden die Wände wieder weiss gekalkt, die Lisenen und Gurten rot marmoriert.
Auf diese Malerei legte der Kirchenmaler Mascioni, der wohl in Milano seine Ausbildung erhielt, eine weisse Deckschicht und darauf jene rot-orange virtuose Rankenmalerei, deren raffinierte Schatten plastischen Stuck vortäuschen.
Das Hochaltar-Retabel ist eine schlanker von zwei gedrehten Säulen flankierter Aufbau mit geschweiftem Frontispiz belegt mit dem IHS-Zeichen im Strahlenkranz. Die Altartafel zeigt den knienden Heiligen Gotthard im Bischofsornat zu Füssen der Dreifaltigkeit, die über ihm auf Wolken schwebt.
Der Heilige Godehard oder Gotthard, geboren im Jahre 960, wurde im Benediktiner Kloster Niederaltaich in Bayern erzogen, wo er 990 Mönch und 996 Abt wurde. Heinrich II. berief ihn 1022 als Bischof nach Hildesheim, wo er nach reich erfülltem Leben 1038 starb und 1131 heilig gesprochen wurde. Heute noch steht die prächtige romanische Säulenbasilika Sankt Godehard in Hildesheim, wo die sterblichen Reste des Heiligen ruhen. Die Fürbitte des Heiligen Godehard wird angerufen gegen Gicht, Rheuma, Nierenleiden, Kinderkrankheiten, schwere Geburt sowie gegen Blitz und Hagel. Auf dem Altarbild in Miralago weist der Heilige auf eine Gruppe von Kranken, für die er die Hilfe Gottes erbittet.
Das hölzerne Altarretabel ist in einer pastell-tonigen Marmorierung von Blau- und Rottönen gefasst, die plastischen Teile der Säulenkapitelle sind wie die Profilleisten des Frontispizes vergoldet. Auch die gegenläufig gedrehten Säulen sind mit bewegten Goldadern belegt. Das Holzretabel hat zwar in der lange sehr feuchten Kirche unter starkem Anobienbefall gelitten (sog. Holzwurm), aber die an bemaltes Porzellan gemahnende elegante Farbfassung ist fast vollständig original erhalten. Ein seltener Glücksfall, sogar Mascioni hatte nämlich die barocke Fassung in ihrem alten, echten Glanz nicht angetastet.
Wie sollte diese Kirche mit dem selten gut erhaltenen Barockaltarretabel im Innern restauriert werden? War es zu verantworten, die Fassung von 1694 freizulegen und dabei die Fassung von 1836 sowie die elegante Malerei Mascionis von 1909 zu opfern? Sollten wir zu einem Trick greifen und die Malerei von 1694 auf einer deckenden Trennschicht über der Mascioni-Malerei rekonstruieren? Dabei wäre die Leimfarbenmalerei Mascionis unwiederbringlich beschädigt worden, die "trickreiche Idee" hätte somit nur zu einer Scheinlösung geführt.
Weil der Maler Mascioni 1909 die hochbarocke Altar-Retabelfassung respektiert und in sein Dekorations-Konzept einbezogen hatte, war es wohl die beste und schonendste Lösung, die schadhafte Raumfassung von 1909 wiederherzustellen. Neben der neugotischen Raumfassung der Collegiata von Poschiavo (1904) ist die Kapelle San Gottardo von Miralago eines der wenigen Gotteshäuser unseres Kantons, das eine Ausmalung des frühen 20. Jahrhunderts bewahrt hat. Dass dies möglich wurde, verdanken wir der begeisterten Arbeit der Baukommission unter dem Präsidenten Adriano Zanoni, den Architekten Evaristo Zanolari und Andrea Zanetti sowie den Restauratoren Ivano Rampa und Giacomo Mazzolini. Dank der Sorgfalt dieser Konservierung und Restaurierung ist es gelungen, die künstlerische Leistung des tüchtigen Kirchenmalers Mascioni neu zu würdigen und die reizvolle hochbarocke Kapelle San Gottardo in Miralago samt ihrem authentisch erhaltenen Altarretabel wieder im echten, alten Glanz erstrahlen zu lassen.
Hans Rutishauser, Denkmalpfleger

Gremium: Denkmalpflege Graubünden
Quelle: dt Denkmalpflege Graubünden

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