Am 15. Mai 2001 wird in Chur eine bedeutende Neuerscheinung auf dem
Gebiet der Bündner Geschichtsforschung vorgestellt. Es handelt sich um
Band IV des Bündner Urkundenbuches, eines Grundlagenwerkes zur
mittelalterlichen Bündner Geschichte.
Im Jahre 1937 beschloss die Historisch-antiquarische Gesellschaft
von Graubünden, die Graubünden betreffenden Urkunden seit den Anfängen
des Bistums Chur um 400 bis zum Zweiten Ilanzer Artikelbrief von 1526 zu
publizieren. 1955 erschien der erste Band des Bündner Urkundenbuches,
bearbeitet von Elisabeth Meyer-Marthaler und Franz Perret, enthaltend
die Urkunden von 390 bis 1199, und 1973 folgte der zweite Band, der den
Zeitraum von 1200 bis 1273 umfasst. Anfang der Siebzigerjahre wurde die
Editionstätigkeit eingestellt.
Das Bündner Urkundenbuch blieb aber weiterhin ein Desiderat der
Geschichtsforschung. Auf Anregung der Historischen Gesellschaft von
Graubünden beschloss die Bündner Regierung 1989 die Weiterführung des
Werkes. Sie schuf zu diesem Zweck beim Staatsarchiv die Stelle eines
wissenschaftlichen Mitarbeiters, die 1991 mit Lothar Deplazes besetzt
wurde. Als Mitbearbeiter wurde Otto P. Clavadetscher verpflichtet. Die
Finanzierung des Bündner Urkundenbuches erfolgt durch den Kanton
Graubünden mit namhaften Beiträgen des Schweizerischen Nationalfonds zur
Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der Stadt Chur und der
Historischen Gesellschaft von Graubünden. Herausgeber ist das
Staatsarchiv Graubünden.
Der vorliegende Band IV des Bündner Urkundenbuches enthält die das
Gebiet des Kantons Graubünden betreffenden Urkunden aus der Zeit von
1304 - 1327. Das Material stammt aus 97 Archiven der Schweiz und ihrer
Nachbarländer. Die Bearbeiter übernahmen im Wesentlichen den bewährten
Editionsplan des "Chartularium Sangallense". In vollem Wortlaut
abgedruckt sind Urkunden, die einen bündnerischen Aussteller oder
Empfänger aufweisen oder deren Objekte im Kanton Graubünden gelegen
sind. In Regestenform ediert sind Urkunden, die bündnerische Zeugen,
Bürgen, Ausstellungsorte und Ähnliches erwähnen. Texte werden möglichst
genau nach der besten Überlieferung wiedergegeben, wie es moderne
diplomatische Grundsätze verlangen. Der Sachkommentar, vor allem die
Identifizierung von Personen und Orten, hat teilweise vorläufigen
Charakter und soll der Einzelforschung nicht vorgreifen. Angestrebt ist
ein solides Quellenwerk, das sowohl der bündnerischen Landesgeschichte
als auch der internationalen Mediävistik dient.
Im frühen 14. Jahrhundert behaupten sich im bündnerischen Raum
zahlreiche weltliche und geistliche Feudalherren als Hoheitsträger neben
dem Bischof mit seinem alpenübergreifenden Herrschaftskomplex. Sie sind
vor den Talkommunen, Nachbarschaften und Einzelpersonen die wichtigsten
Träger der überlieferten urkundlichen Schriftlichkeit. Dabei ist die
italienische Notariatsurkunde im Süden und die Siegelurkunde im Norden
vorherrschend. Ende des 13. Jahrhunderts setzen die Mischurkunden des
Engadins und die deutschsprachigen Urkunden vor allem der bischöflichen
Schreiber ein. Die räumliche, herrschaftliche und kulturelle Vielfalt
des rätischen Gebietes bedingt eine Vielseitigkeit der schriftlichen
Quellen, die weiterhin ein besonderes Interesse der Forschung
rechtfertigen.
Bündner Urkundenbuch, Band IV, 1304-1327, bearbeitet von Otto P.
Clavadetscher und Lothar Deplazes, hrsg. vom Staatsarchiv Graubünden,
Chur 2001
Sperrfrist: Dienstag, 15. Mai 2001, 15 Uhr
Gremium: Staatsarchiv Graubünden
Quelle: dt Staatsarchiv Graubünden