Ende Januar hat die Umsetzung des Projekts Piazza der Stabsstelle
für Gleichstellungsfragen begonnen. Für einen halben Tag setzen sich
Jugendliche mit ihren Lebensperspektiven und unterschiedlichen
Lebensmodellen auseinander. Warum ist dies ein Anliegen des
Gleichstellungsbüros?
Nach wie vor ist es so, dass junge Frauen weniger in die berufliche
Entwicklung investieren als Männer. Sie wählen aus einer deutlich
kleineren Palette von Berufsausbildungen aus und entscheiden sich in der
Überzahl für kürzere Ausbildungen. Im Hinterkopf vieler junger Frauen
steckt nach wie vor das Bild: "Ich werde sowieso früher oder später
Familie haben und dann ist der Beruf sekundär". Eine andere Sprache
spricht die Erwerbsquote, die heute bei den Frauen bereits 60 Prozent
beträgt, Tendenz steigend. Die gesellschaftlichen Veränderungen
verlangen auch von den Frauen, in Ausbildung und Beruf zu investieren.
Dieses Engagement ist bei den jungen Männern in der Regel kaum in
Frage gestellt. Die männliche Identität ist nach wie vor hauptsächlich
durch die Berufstätigkeit definiert. Diese einseitige Gewichtung hat für
die Männer selber nicht nur positive Folgen: Höhere Selbstmordraten,
Risikoverhalten, wenig sorgfältiger Umgang mit der eigenen Gesundheit
und andere Beeinträchtigungen können als Folge von Leistungsdruck und
Leistungsorientierung verstanden werden. Die deutlich tiefere
Lebenserwartung des so genannt "starken Geschlechts" spricht dazu eine
deutliche Sprache. Eine rundere Persönlichkeit wird so nach aktuellen
Studien für Männer zunehmend zum Thema. Beziehungen, Familie und
Menschen werden wichtiger.
Fairplay at home?
Die aktuelle Kampagne "Fairplay at home" des Eidgenössischen
Gleichstellungbüros (Website:
www.fairplay-at-home) greift das Thema
der Arbeitsverteilung für Erwachsene auf. Dieselben Fragen sind schon im
Zusammenhang mit der Berufswahl relevant. Wer im Berufswahlalter mit dem
originellen und aussagekräftigen Lotto des Piazzaprojekts im Schulzimmer
gespielt hat, kennt nicht nur zwei oder drei Biographievarianten,
sondern 22 in Wort und Bild - und wird sich noch einmal so viele dazu
denken: Ein Kreativitätsvorsprung für die künftigen
Fairplay-at-home-Gespräche im eigenen Haushalt. Von einer eigenständigen
Auseinandersetzung mit dieser Vielfalt an Lebensperspektiven werden die
jungen Männer profitieren. Für sie ist die doppelte, integrierende
Perspektive von Beruf und Familie noch weniger geläufig als für die
jungen Frauen. Letztere werden sich u. a. vertieft mit längerfristigen
beruflichen Perspektiven befassen, werden darin bestärkt, auch eine
berufliche Identität zu entwickeln. Das Profitieren der Frauen von der
Horizonterweiterung der jungen Männer wird eher ein mittel- bis
langfristiges Projektergebnis sein...
Piazza konkret
Das Projekt Piazza ist vor diesem Hintergrund zu sehen: Es motiviert
Jugendliche im Berufswahlalter, ihren Blick zu öffnen und nicht von
einseitigen Rollen- und Lebensvorstellungen auszugehen. Das halbtägige
Modul wird im ganzen Kanton bis zu den Herbstferien zwanzig Mal
durchgeführt - von Chur über Ilanz, Klosters und Scuol, es sind fast
alle Regionen abgedeckt. Das Interesse am Projekt ist gross.
Unter Berücksichtigung der gemachten Erfahrungen wird danach ein
Lehrmittel erarbeitet, welches von Oberstufenlehrpersonen eingesetzt
werden kann und den Berufswahlunterricht sinnvoll ergänzt.
Das Projektteam, welches für die Umsetzung von Piazza verantwortlich
ist, besteht aus Ariane Bearth-Riatsch (Schultherapeutin), Lucio
Decurtins, (Sozialpädagoge) und Justina Derungs (Theaterpädagogin).
Das Projekt Piazza wird durch Gelder des Lehrstellenbeschlusses 2
des Bundes finanziert. Dieser unterstützt als Aktionsprogramm Beiträge
zur nachhaltigen Verbesserung des Lehrstellenmarkts und zur Entwicklung
der Berufsbildung. Eine der Zielsetzungen des Lehrstellenbeschlusses ist
die Förderung der tatsächlichen Gleichstellung von Frau und Mann im
Berufsbildungsbereich. In diesem Förderungsbereich ist das Projekt
Piazza angesiedelt.
Das Lebensmodelllotto
Für die Umsetzung des Projekts Piazza hat das Projektteam ein Lotto
erarbeitet. Mit je elf Frauen und Männern wurden Gespräche geführt über
ihr persönliches Lebensmodell. Diese unterschiedlichen Modelle werden
auf je drei Tafeln inklusive Foto dargestellt. Die gelebten Modelle
reichen von traditionellen Familienformen zu verschiedenen Formen von
Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen, auch zu kinderlosen und
homosexuellen Partnerschaften, allein stehenden und allein erziehenden
Personen.
Die Lottotafeln ermöglichen es, spielerisch an das Thema heran zu
gehen. Welche Vorstellungen lösen die Bilder aus? Wirkt diese Frau eher
mütterlich, wird sie also Kinder haben - oder jene sehr selbstbewusst,
passt sie vielleicht zur Tafel mit der politisch aktiven Frau? Mit
welchen Bildern im Kopf stufen wir die Menschen ein - könnte es auch
ganz anders sein? Und in welchen Rollen und Modellen würden sich
Jugendliche selber gerne sehen? Mit Hilfe des Lottos können solche
Fragen sehr lebensnah und realistisch wahrgenommen und diskutiert
werden.
Das Lotto wird zum Projektabschluss Teil des geplanten Lehrmittels
werden, welches für Lehrkräfte wie auch weitere an Gleichstellungsthemen
interessierte Kreise aus Bildung und Politik gedacht ist.
Gremium: Gleichstellungs-Büro Graubünden
Quelle: dt Gleichstellungs-Büro Graubünden