Am 28. November 2004 entscheiden Volk und Stände über die
Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund
und Kantonen (NFA). Die NFA will die Zusammenarbeit und den
Finanzausgleich in unserem Bundesstaat auf eine wirksamere und fairere
Basis stellen. Die Aufgaben, Kompetenzen und Finanzierung von Bund und
Kantonen sollen klar geregelt und möglichst weitgehend entflochten
werden. Bund und Kantone können damit ihre Aufgaben effizienter
erfüllen. Die Bündner Regierung unterstützt dieses wichtige
staatspolitische Reformprojekt.
Die Regierungsmitglieder Eveline Widmer-Schlumpf, Stefan Engler und
Martin Schmid zeigen auf, was die NFA für den Kanton Graubünden
bedeutet. Die NFA bringt gegenüber dem heutigen Aufgabenverbund und
Finanzausgleich erhebliche Verbesserungen. Sie löst zweifelsohne nicht
alle Probleme des heutigen Vollzugsföderalismus. Sie ist aber ein
wesentlicher Schritt zur Stärkung der Autonomie und Eigenverantwortung
sowie zur Sicherstellung des haushälterischen Einsatzes der öffentlichen
Mittel.
Was will die NFA?
Die NFA ist in intensiver Teamarbeit von Bund und Kantonen gemeinsam
erarbeitet worden. Für beide Partner - Bund wie Kantone - ist die NFA
ein Schlüsselprojekt für die Zukunft unseres Landes:
- für die Staatspolitik, weil die NFA alle Staatsebenen stärkt und
damit die fortschreitende Aushöhlung der Kantonsautonomie stoppt;
- für die Finanzpolitik, weil das heutige inkonsequente und
ineffiziente Finanzausgleichssystem durch ein transparentes,
ausgewogenes und effizientes abgelöst wird.
Die NFA basiert im Wesentlichen auf fünf aufeinander abgestimmten
grundsätzlichen Neuerungen:
1. Die NFA will eine klare Rollenteilung und eine möglichst weit
gehende Aufgaben- und Finanzierungsentflechtung. Dies wird erreicht
durch eine klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten und Aufgaben von
Bund und Kantonen sowie eine Vergrösserung des Kantonsanteils an nicht
zweckgebundenen Finanzmitteln.
2. Bei Aufgaben, welche der Bund und die Kantone auch inskünftig
gemeinsam erfüllen, kommen neue Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen
zum Zuge, die den Grundsätzen einer zeitgemässen Verwaltungsführung
Rechnung tragen.
3. Die Zusammenarbeit unter den Kantonen wird verstärkt und der
Leistungsaustausch mit fairen Ansätzen entschädigt.
4. Mit einem völlig neu gestalteten Ressourcenausgleich sollen aus
Mitteln der finanzstarken Kantone und des Bundes finanzschwache Kantone
unterstützt werden. Dadurch erhalten alle Kantone eine
Mindestausstattung an frei verfügbaren Einnahmen.
5. Der Belastungsausgleich soll Sonderlasten der Kantone angemessen
abgelten. Hierbei handelt es sich um kaum beeinflussbare topografische
oder soziodemografische Strukturlasten der Berg- und Stadtkantone.
Vorteile der NFA aus Sicht des Kantons Graubünden
Die Abhängigkeit unseres Kantons vom Bund ist überaus gross; dies
nicht nur in Aufgaben mit primärer Zuständigkeit des Bundes, wie beim
Militär, der Landwirtschaft und den Nationalstrassen, sondern auch in
sehr bedeutenden kantonalen Aufgabenbereichen wie Wald, Hauptstrassen,
Abfall- und Abwasseranlagen, Altershilfe, Zivilschutz, Sonderschulung
und anderes mehr. Unter Einbezug der Bundesbeiträge an die RhB erhält
Graubünden jährlich über 900 Mio. Franken vom Bund. Dies entspricht
knapp 50% unserer Gesamteinnahmen. In allen hochsubventionierten
Bereichen haben wir unsere Autonomie faktisch verloren. Der Bund
diktiert im Wesentlichen Art und Umfang der Aufgabenerfüllung.
Die NFA bringt dem Bund und den Kantonen zahlreiche Vorteile. Aus
Sicht des Kantons Graubünden stehen die folgenden Verbesserungen im
Vordergrund:
- Die NFA entwirrt den bisherigen komplizierten Aufgabenverbund und
das Finanzierungsgeflecht zwischen Bund und Kantonen und baut
administrative Doppelspurigkeiten ab.
- Die NFA schafft die Grundlage für einen transparenten, gezielten
und steuerbaren Finanz- und Lastenausgleich. Sie vermindert
Abhängigkeiten gegenüber dem Bund und korrigiert falsche
Anreizstrukturen.
- Die NFA vermindert die tendenziell steigenden Unterschiede in der
finanziellen Leistungsfähigkeit und in der Steuerbelastung zwischen den
Kantonen.
- Der geografisch-topografische Belastungsausgleich vermindert die
übermässigen finanziellen Lasten der Gebirgskantone.
- Die NFA erweitert die Möglichkeiten für innovative, kostengünstige
und bürgernahe Dienstleistungen.
Finanzielle Auswirkungen der NFA
Im Total heben sich für den Kanton Graubünden die Be- und
Entlastungen in etwa auf (ausgeglichenes Ergebnis in der sogenannten
Globalbilanz). Zu berücksichtigen ist, dass die Globalbilanz eine
Momentaufnahme darstellt und die finanziellen Auswirkungen erst zum
Zeitpunkt der Umsetzung der NFA im Detail beziffert werden können.
Entscheidend ist aber nicht der Saldo aller finanziellen
Veränderungen. In der Globalbilanz nicht berücksichtigt sind die
positiven Effekte der Aufgabenentflechtung (Abbau von
Doppelspurigkeiten), der Optimierung der Kooperation zwischen Bund und
Kantonen und der Verbesserung des Lastenausgleichs zwischen den
Kantonen. Noch nicht erfassen lassen sich die finanziellen Auswirkungen
des geplanten Ausbaus der interkantonalen Zusammenarbeit.
Geografisch-topografischer Lastenausgleich
Aus finanzieller Sicht von grösster Bedeutung ist für den Kanton
Graubünden der geografisch-topografische Lastenausgleich. Unter diesem
Titel bezahlt der Bund rund 300 Mio. Franken an die Kantone. Die
Kriterien für die Verteilung dieser Mittel sind:
- Fläche über dem schweizerischen Höhenmedian von 1'080 Metern (ohne
unproduktive Fläche), Gewichtung 1/3
- Bevölkerung, die über 800 Meter über Meer wohnt, Gewichtung 1/3
- Siedlungen mit weniger als 200 Einwohnern, Gewichtung 1/6
- Bevölkerungsdichte, Gewichtung 1/6
Mit diesem Ausgleichsgefäss werden die "Lasten der Höhe" (z. B.
Winterdienst), die "Lasten der Steilheit" (z. B. Waldbewirtschaftung
und Lawinenverbauungen) und die "Lasten der feingliedrigen Besiedlung"
(Kosten des Service public) berücksichtigt. Deutlich mehr als ein
Drittel der Mittel für den geografisch-topografischen
Belastungsausgleich fliessen in den Kanton Graubünden. Dieser Ausgleich
ist für Graubünden als grossflächigen Gebirgskanton angesichts der
ausserordentlich hohen Sonderlasten eines grossflächigen Gebirgskantons
überaus wichtig.
Durch die klare Trennung des Ausgleichszahlungen und der
Aufgabenerfüllung kann dem heute bestehenden Anreiz, möglichst viele
Bundesbeiträge "abzuholen", entgegengewirkt werden. Im heutigen System
besteht ein grosser Druck, teilweise über den eigentlichen Bedarf
hinausgehende Vorhaben zu realisieren.
Zur Kritik aus dem Behindertenbereich
Aus dem Kreis von Behinderteninstitutionen wird die Befürchtung
geäussert, dass die NFA zu einem Leistungsabbau führe. Die Kantone sind
sich der Verantwortung bewusst, welche sie aufgrund der neuen
Aufgabenverteilung übernehmen. Bereits heute wird ein wesentlicher Teil
des öffentlichen Leistungsangebots durch Kantone und Gemeinden erbracht,
zum Beispiel in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Kultur oder Umwelt.
Der Kanton Graubünden ist - wie die anderen Kantone auch - in der Lage
und gewillt, die vom Bund übertragenen Aufgaben in der Betreuung von
Personen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen zu erfüllen.
Diese Personen wurden bereits in den letzten Jahren immer stärker
unterstützt.
Die NFA erleichtert so zum Beispiel die Integration von Kindern mit
Behinderungen im Bereich der Sonderschulung durch eine bessere
Einbindung in die Regelklassen. Diese Integrationsmassnahmen müssen den
regionalen Gegebenheiten Rechnung tragen und können besser und
bedürfnisgerechter durch Kantone und Gemeinde erfolgen.
Bezüglich der Finanzierung der Einrichtungen im stationären
Behindertenbereich wird derzeit auf Stufe des Kantons unter anderem mit
Blick auf die Umsetzung der NFA ein neues Finanzierungssystem
erarbeitet. Diese Arbeiten verfolgen die Zielsetzung, auch in Zukunft
die Abgeltung der behinderungsbedingten Mehrkosten sicherzustellen. Die
Abgeltung soll leistungsorientiert erfolgen und auch für die
Trägerschaften die notwendigen Handlungsspielräume für eine effiziente
Aufgabenerfüllung schaffen.
Fazit
Die NFA hat eine Erneuerung und Stärkung des föderalistischen
Staatssystems zur Folge. Diese zukunftsgerichtete Vorlage liegt auch im
Interesse des Kantons Graubünden. Sie verdient deshalb am 28. November
2004 eine deutliche Zustimmung.
Weitere Informationen:
Detaillierte Informationen zur NFA sind auf der Homepage
www.nfa.ch
abrufbar.
Gremium: Regierung
Quelle: dt Finanz- und Militärdepartement