Die Jagdbetriebsvorschriften 2004 beinhalten gegenüber dem Vorjahr
einige grundlegende Neuerungen. Der beidseitige Kronenhirsche wird nach
zwölfjährigem Schutz versuchsweise während zwei Tagen wieder frei
gegeben. Die Neuregelung der Wildschutzgebiete bringt eine Erhöhung der
Anzahl der Wildschutzgebiete, aber eine Verkleinerung der Gesamtfläche
derselben mit sich. Unter dem Vorbehalt, dass kein Referendum ergriffen
wird, kommt während der kommenden Jagd für einfache und klar erfassbare
Tatbestände zum ersten Mal ein Ordnungsbussenverfahren zur Anwendung.
Der beidseitige Kronenhirsch ist in Graubünden seit 1992 geschützt.
In diesen zwölf Jahren haben einige kapitale Hirschstiere von diesem
Schutz profitiert, ein breites Einwachsen in die Mittel- und
Altersklasse wie beispielsweise beim Gämsbock, ist aber noch nicht
erfolgt. Ein markanter Anstieg an mittelalten und alten Hirschen in der
Strecke wird ebenfalls nicht beobachtet. Für diesen Umstand sind mehrere
Gründe ausschlaggebend. Anzuführen sind insbesondere die Ausdehnung der
Jagdzeit während der Hochjagd von 17 auf 21 Tage, der Anstieg der
Strecke beim einseitigen Kronenhirsch sowie die alljährlichen
Fehlabschüsse von beidseitigen Kronenhirschen. Weiter bleibt
festzuhalten, dass die Hochjagdstrecke der Hirschstiere trotz dieser
Schutzmassnahme unverändert hoch geblieben ist und dass der Abgang an
älteren Hirsche im Fallwild seit mehreren Jahren stabil ist.
Die Jagdplanung beim Hirschwild muss so konzipiert werden, dass
bezogen auf den Gesamtbestand eine genügende Anzahl Hirschstiere in die
Altersklasse hineinwachsen kann. Aus wildbiologischen Überlegungen darf
der Anteil reifer Hirsche in der Gesamtpopulation auf keinen Fall durch
jagdliche Eingriffe gefährdet werden. Die Tatsache, dass Hirsche im
Kanton Graubünden älter werden können als bisher angenommen und der nach
wie vor geringe Anteil an Hirschstieren der Mittel- und Altersklasse
erfordern daher eine vorsichtige Strategie.
Der Bündner Kantonale Patentjäger-Verband (BKPJV) hat an seiner
Delegiertenversammlung beantragt, während der Hochjagd den beidseitigen
Kronenhirsch an zwei Tagen ohne kompensatorische Massnahmen freizugeben.
Damit ist ein Interessenskonflikt vorgegeben. Ein solches Vorgehen würde
den Jagddruck auf jene Klasse verstärken, die noch ungenügend stark
anwachsen konnte. Die Regierung hat schon im letzten Jahr festgehalten,
dass eine Freigabe des beidseitigen Kronenhirsches nur mit
Einschränkungen erfolgen sollte und dass selbst bei einer tageweisen
Freigabe begleitende Kompensationsmassnahmen zu definieren sind.
Ganz im Sinne einer vorsichtigen Strategie wird der beidseitige
Kronenhirsch in diesem Jahr an den zwei Tagen vor dem Bettag nur mit
begleitenden Massnahmen freigegeben. Als Vorsichts- bzw. Schutzmassnahme
darf jeder Jäger in diesen zwei Tagen insgesamt nur einen Hirsch vom
Gabler aufwärts erlegen. Damit soll verhindert werden, dass einzelne
Jäger vor allem bei witterungsbedingten Spezialsituationen hohe Strecken
erzielen. Als Kompensationsmassnahme für den erwarteten Mehrabschuss an
mittelalten und alten Hirschstieren, wird der einseitige Kronenhirsch an
den beiden letzten Tagen geschützt. Mit diesem Vorgehen können
Erfahrungen gesammelt werden, ohne das Risiko einer starken Überbejagung
einzugehen.
Planung Hirschjagd
Der Hirschbestand hat - über den gesamten Kanton betrachtet - im
Vergleich zum Vorjahr leicht zugenommen. Aufgrund der vorhandenen
Unterlagen (Zählungen, Jagdstrecken, Fallwild, qualitative Einschätzung
der diesjährigen Taxation) muss von einem Frühjahresbestand von rund
13'000 Tieren ausgegangen werden. Demzufolge ist die Hirschbejagung in
allgemeiner Hinsicht in der bisherigen Intensität weiterzuführen. In
mehreren Regionen muss der Jagddruck überdies gezielt erhöht werden.
Regionale Veränderungen des Hirschbestandes sind nämlich im Rahmen der
Abschussplanung zu berücksichtigen. Der Abschussplan sieht vor, dieses
Jahr 4'310 (2003: 4'210) Hirsche zu erlegen. Die Bejagung in zwei
Phasen, Hochjagd und Herbstjagd hat sich bewährt und bildet den
Schlüssel für die notwendige Stabilisierung des Hirschbestandes.
Anpassungen bei der Gämsbejagung
Die diesjährigen Jagdbetriebsvorschriften beinhalten weitere
Neuerungen. Anzuführen sind in diesem Zusammenhang vorab die Anpassungen
bei der Gämsbejagung. Der BKPJV hat zwei Anträge zur Gämsjagd gestellt,
die beide berücksichtigt werden können. Einerseits kann der Bockabschuss
anstatt durch eine weiblichen Gämse auch durch einen Bockjährling, der
durch die Wildhut als Hegeabschuss anerkannt wird, ausgelöst werden.
Andererseits werden die Kriterien für einen Hegeabschuss beim Bock
weniger streng gefasst. Gämsböcke von drei Jahren und älter gelten - das
Vorweisen bei der Wildhut vorausgesetzt - als Hegeabschuss, wenn sie
unter 24 kg (bisher 22 kg) schwer sind.
Neuregelung der Wildschutzgebiete
Die Wildschutzgebiete sind für die Patentjagd ein wichtiges
Instrument zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf den
Schutz und die Regulation der Wildbestände. Um eine gute Verteilung des
Wildes zu erreichen, sind nicht grosse, sondern zahlreiche kleinere
Wildschutzgebiete auszuscheiden. Verschiedene Wildschutzgebiete wurden
angepasst, 14 aufgehoben, 66 neue geschaffen. Gesamthaft ist die Anzahl
der Schutzgebiete von 319 auf 371 erhöht worden, die Gesamtfläche wurde
jedoch von 751km² auf 736km² reduziert.
Niederjagd - verantwortungsbewusste und genaue Kontrolle der
Wildbestände
Auch die Bestände der Hasen, Birk- und Schneehühner werden seit
Jahren überwacht. Diese Arten weisen denn auch konstante und gute
Bestände auf. Wesentliche Kernlebensräume dieser Arten sind zudem durch
Wildasyle geschützt und damit der Jagd entzogen. Die jagdliche Planung
greift somit auch im Bereich der Niederwildarten.
Wildschweine auch in Nordbünden auf dem Vormarsch
Im letzten Winter konnten auch in Nordbünden (Domleschg,
Domat/Ems-Rhäzüns, Herrschaft) Wildschweine nachgewiesen werden. Damit
bestätigt sich, dass es im letzten Jahr richtig war, die Wildschweinjagd
im ganzen Kanton freizugeben. Um nicht unnötig hohe Wildschäden zu
provozieren und andererseits die Reproduktion nicht anzuheizen, wird ein
absolutes Fütterungsverbot (Fütterungen, Ablenkfütterungen,
Lockfütterungen) erlassen.
Ordnungsbussenverfahren
Mit der Teilrevision des kantonalen Jagdgesetzes vom 20. April 2004
wurde im Sinne einer Entkriminalisierung ein Ordnungsbussenverfahren
eingeführt. Künftig können einfache und klar erfassbare Tatbestände in
diesem Verfahren geahndet werden. Dazu gehören insbesondere
Fehlabschüsse mit korrekter Selbstanzeige. Der Aufbau des
Ordnungsbussenverfahrens erfolgt in Anlehnung an das entsprechende
Verfahren im Strassenverkehrsrecht und im kantonalen Fischereirecht. Mit
den aktuellen Jagdbetriebsvorschriften wird eine auf diese abgestimmte
Bussenliste erlassen.
Die Referendumsfrist für die in diesem Frühjahr erfolgte
Teilrevision des Jagdgesetzes (Einführung eines
Ordnungsbussenverfahrens) läuft erst Ende Juli ab. Aus diesem Grunde
kann das Ordnungsbussenverfahren nur dann in die
Jagdbetriebsvorschriften 2004 aufgenommen werden, wenn kein Referendum
ergriffen wird. Die Regierung hat deshalb diesbezüglich einen Vorbehalt
formuliert.
Gremium: Amt für Jagd und Fischerei
Quelle: dt Amt für Jagd und Fischerei