Die Bündner Regierung lehnt die kantonale Volksinitiative
"ethik.initiative" ab und unterbreitet dem Grossen Rat einen
Gegenvorschlag. Dieser sieht vor, in den Volksschulen eine Wochenlektion
Religionsunterricht sowie eine für alle Schülerinnen und Schüler
obligatorische Lektion "Religionskunde und Ethik" einzuführen. Die
Regierung hat die entsprechende Botschaft an den Grossen Rat
verabschiedet. Die Behandlung des Geschäftes ist in der Februarsession
2009 vorgesehen.
Heute erteilen in Graubünden die öffentlich-rechtlich anerkannten
Landeskirchen ihren Angehörigen in der Volksschule Religionsunterricht.
Die Schulträgerschaften stellen ihnen die Schulräume unentgeltlich zur
Verfügung. Der gesetzlich verankerte und mit zwei Wochenlektionen
dotierte Unterricht zählt zu den obligatorischen Fächern, wobei die
Erziehungsberechtigten ein Kind mit Berufung auf die Glaubens- und
Gewissensfreiheit vom Unterricht schriftlich abmelden können. Gemäss
einer Erhebung besuchen allerdings gegen 10 Prozent der Kinder keinen
Religionsunterricht. Der weit überwiegende Teil der betroffenen Kinder
gehört keiner Landeskirche an.
Die am 10. Oktober 2007 eingereichte Volksinitiative
"ethik.initiative" verlangt nun, an der Volksschule einen
obligatorischen Ethikunterricht einzuführen. Dieser soll christliche
Grundwerte vermitteln, die in unserer Gesellschaft Gültigkeit haben,
sowie Kenntnisse über verschiedene Religionen. Fördern will die
Initiative auch das kritische Denken und selbstständige Urteilen. Diese
Ziele will die Initiative ohne Mitwirkung der Landeskirchen im
Religionsunterricht erreichen. Der von der Initiative vorgeschlagene
grundlegende Systemwechsel sieht keinen von den Landeskirchen erteilten
Religionsunterricht mehr vor. Diesen Systemwechsel lehnt die Regierung
auch deshalb ab, weil er nicht erforderlich ist, um die inhaltlichen
Ziele der Initiative zu erreichen.
Mit den beiden Landeskirchen und dem Bischöflichen Ordinariat teilt
die Regierung die Auffassung, dass das Unterrichtsmodell für die
religiöse Bildung weiter zu entwickeln ist. Einerseits soll ein
zeitgemässer Religionsunterricht die Interessen der Angehörigen der
Landeskirchen berücksichtigen. Andererseits ist aber auch einem
drohenden religiösen Analphabetismus entgegen zu treten. Zu viele Kinder
sind der Gefahr ausgesetzt, ohne jegliche Einführung und
Auseinandersetzung mit der religiösen Tradition ihrer Umwelt ihre
obligatorische Schulzeit zu durchlaufen.
Um das Unterrichtsmodell auf die skizzierten Bedürfnisse besser
ausrichten zu können und um eine religiöse Bildung auch für jene Kinder
sicher zu stellen, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen,
unterbreitet die Regierung einen Gegenvorschlag zur Initiative. Dieser
sieht das von den Landeskirchen getragene Unterrichtsmodell 1+1 vor mit
einer Wochenlektion Religionsunterricht sowie einer für alle
Schülerinnen und Schüler obligatorischen Wochenlektion "Religionskunde
und Ethik". Der Religionsunterricht wird wie bisher von den
Landeskirchen verantwortet. Das neue Unterrichtsfach "Religionskunde und
Ethik" hingegen ist durch die Schule zu verantworten. Der Unterricht
muss mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit beziehungsweise mit der
Religionsfreiheit vereinbar sein. Er wird ethische Fragestellungen
behandeln und wie in anderen Kantonen überkonfessionelle, vergleichende
Betrachtung religiöser Lehren enthalten.
Mit dem Gegenvorschlag will die Regierung auch die bestehende
bewährte Partnerschaft mit den Landeskirchen im Bereich der religiösen
Bildung an der Volksschule im Interesse der Bevölkerung Graubündens
weiter entwickeln.
Gremium: Regierung
Quelle: dt Standeskanzlei Graubünden