Die Bündner Regierung hat die Botschaft zur Kantonalen Volksinitiative "Nur eine Fremdsprache in der Primarschule" (Fremdspracheninitiative) verabschiedet. Sie beantragt dem Grossen Rat, die Volksinitiative aufgrund deren Bundesrechtswidrigkeit für ungültig zu erklären.
Die am 27. November 2013 mit 3709 gültigen Unterschriften in Form einer allgemeinen Anregung eingereichte Fremdspracheninitiative verlangt eine Teilrevision des kantonalen Schulgesetzes. Das Schulgesetz soll so abgeändert und ausgestaltet werden, dass in der Primarschule nur noch eine Fremdsprache obligatorisch ist. Je nach Sprachregion soll dies Deutsch oder Englisch sein.
Der Grosse Rat ist gemäss Kantonsverfassung dazu verpflichtet, die Rechtmässigkeit von Volksinitiativen zu prüfen und diese gegebenenfalls für ungültig zu erklären. Ungültig ist eine Initiative unter anderem dann, wenn sie in offensichtlichem Widerspruch zu übergeordnetem Recht steht. Um diese Frage bei der Fremdspracheninitiative zu klären, hat das Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement ein verwaltungsexternes Rechtsgutachten erstellen lassen. Dieses Rechtsgutachten wurde von Prof. Dr. Bernhard Ehrenzeller, Universität St. Gallen, verfasst. Der Rechtsgutachter hatte alle Fragen betreffend die Gültigkeit der Fremdspracheninitiative juristisch zu prüfen.
Verletzung von Bundesrecht
Zusammenfassend ergeben sich folgende Schlüsse: Die Annahme der Fremdspracheninitiative würde zu unterschiedlichen Fremdsprachenkompetenzen der Schülerinnen und Schüler am Ende der Primarschule führen. Da in den italienisch- und romanischsprachigen Gebieten nur noch Deutsch als Fremdsprache unterrichtet werden darf, hätten die Schülerinnen und Schüler eine nicht zu verkennende Benachteiligung beim Übertritt in die Sekundarstufe I. Dies stellt eine Diskriminierung aufgrund der Sprache dar. Fraglich ist auch, ob der gleiche Qualitätsstandard der Fremdsprachenausbildung auf der Primarschulstufe noch gewährleistet und die erforderliche Durchlässigkeit, bezogen auf die innerkantonale und innerschweizerische Mobilität, garantiert ist. Der Kanton ist verpflichtet, seine Regelungen nach dem Harmonisierungsstandard der anderen Kantone auszurichten. Bei Annahme der Initiative kann er aber seiner Koordinations- und Harmonisierungspflicht nicht nachkommen. Zu den besonderen Aufgaben der mehrsprachigen Kantone gehört nach dem Sprachengesetz des Bundes unter anderem die Förderung der Mehrsprachigkeit der Lernenden und Lehrenden in den Amtssprachen des Kantons auf allen Unterrichtsstufen. Der Kanton Graubünden bezieht unter anderem gestützt auf diese Bestimmung erhebliche Finanzhilfen des Bundes. Die in der Initiative vorgesehene Neuregelung des Fremdsprachenunterrichts in den Primarschulen würde zu einer Vereitelung von Bundesrecht führen und den Grundsatz der Bundestreue verletzen.
Verletzung der Kantonsverfassung
Die Fremdspracheninitiative steht auch in Konflikt mit verschiedenen kantonalen Verfassungsnormen. Durch die Initiative zeichnet sich eine Höherwertigkeit der deutschen Sprache gegenüber der italienischen ab. Die Gleichwertigkeit der drei Landes- und Amtssprachen wäre nicht mehr gewährleistet. Auch die Gemeinden könnten bei der Wahl der Schulsprache nicht mehr im erforderlichen Masse auf die herkömmlichen sprachlichen Minderheiten Rücksicht nehmen. Dies widerspricht den übergeordneten kantonalen Verfassungsvorgaben in Bezug auf den Schutz und die Förderung der Minderheitensprachen.
Damit steht die Fremdspracheninitiative laut dem Rechtsgutachten in offensichtlichem Widerspruch zu den Bestimmungen der Bundesverfassung sowie der Kantonsverfassung. Die Regierung teilt diese Auffassung des Rechtsgutachters und beantragt dem Grossen Rat, die Fremdspracheninitiative für ungültig zu erklären.
Der Grosse Rat wird sich in der Aprilsession 2015 mit der Botschaft der Regierung befassen.
Auskunftspersonen:
- Regierungsrat Martin Jäger, Vorsteher Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement, Tel. 081 257 27 01, E-Mail
martin.jaeger@ekud.gr.ch
- Andrea Stadler, Departementssekretärin Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement, Tel. 081 257 27 11, E-Mail
andrea.stadler@ekud.gr.ch
Gremium: Regierung
Quelle: dt Standeskanzlei Graubünden