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Die Regierung an die Einwohnerinnen und Einwohner des Kantons Graubünden
 
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger

Der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag wird in Graubünden seit dem Jahr 1848 jeden dritten Sonntag im September gefeiert. Ein Tag, an dem sich Kirche und Staat begegnen. Ein Tag, der von allen christlichen Kirchen in der Schweiz gefeiert wird, und ein Tag, an dem aus christlicher Gesinnung heraus staatliches Handeln reflektiert wird.

Welchen Sinn hatte dieser Feiertag früher? Seine eigentliche Bedeutung erhielt er um die Zeit, als im Jahre 1848 der schweizerische Bundesstaat gegründet wurde. Damals einigten sich die stark unterschiedlichen und lange zerstrittenen Stände auf einen gemeinsamen Bundesstaat. Es ging darum, das Verbindende und Gemeinsame zu betonen. Es galt, Abstand zu nehmen von Differenzen, Konflikten und Kriegen, welche die Zeit davor geprägt hatten. Es ging aber auch darum, den Respekt vor den politisch und religiös Andersdenkenden zu fördern. Wenigstens einmal im Jahr, am Eidgenössischen Dank-, Buss und Bettag, sollte sich die Gesellschaft dessen bewusst werden.

Ob in der Familie, der Nachbarschaft, der Dorfgemeinschaft, in der Gesellschaft oder innerhalb des Staates: Das Verbindende und die gemeinsamen Interessen sicherten und trugen die Gemeinschaft über unzählige Generationen durch die Zeiten, auch wenn divergierende Interessen und Konflikte zu Auseinandersetzungen und Diskussionen führten. Das ist heute nicht anders: Sozialer Zusammenhalt ist nur zu erreichen, wenn das Gemeinsame und das Gemeinwohl erkannt, gepflegt und gefördert werden.

Die moderne Welt ist für den Einzelnen jedoch komplexer geworden. Informationen aus aller Welt erreichen uns innert Sekunden. Wir sind international mobil, die Wirtschaft ist global. Auch die Politik ist mobiler und globaler geworden, weil stärker als je zuvor internationale Ereignisse und länderübergreifende Zusammenhänge auf uns und unser Land Einfluss nehmen. Damit steigt die Verunsicherung beim einzelnen. Tragende Werte und Grundsätze, die Halt geben und uns die Geschehnisse einordnen lassen, brauchen wir in der heutigen Zeit mehr denn je. Sie helfen uns, das Leben zu bewältigen.

Während früher in einer "überschaubaren" Welt christliche Werte eigentliche Eckpfeiler der Lebensgestaltung und der Problemlösung bildeten, sind diese Werte heute in einem Umfeld mit Einflüssen aus verschiedensten Kulturen, Religionen, Wirtschaftsformen und politischen Systemen etwas in den Hintergrund getreten. Geläufiger sind uns populäre Begriffe wie etwa jener der Fairness, den uns Berichterstattungen über den allgegenwärtigen Sport täglich vermitteln, erklären und bewerten. Ja sogar in Politik und Wirtschaft wird viel von Fairness als einem tragenden Prinzip für das Handeln des Einzelnen gesprochen.

Fairness ist rein begrifflich sicher kein traditioneller christlicher Grundwert. Das Gebot der Fairness vermittelt jedoch Inhalte, die den christlichen Grundwerten sehr nahe kommen. Wer sich fair verhält, zeigt Achtung vor seinem Gegenüber, hütet sich davor, in Wettbewerb und Wettkampf bestimmte soziale Verhaltensregeln zu missachten, verzichtet auf billiges Triumphieren und kann mit Niederlagen umgehen. Er hält sich damit an allgemeingültige Regeln, die ihren Ursprung in der Nächstenliebe, in der Verantwortung für die Gemeinschaft und im Respekt vor der Menschenwürde haben.

Für das Zusammenleben in unserer Gemeinschaft entscheidend ist aber zudem, dass jeder Einzelne seinen ganz persönlichen Beitrag leistet, um soziale Gerechtigkeit, ein friedliches Zusammenleben und materielle Sicherheit für alle zu fördern. Uns erinnert speziell der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag jährlich daran, dass wir diesen Beitrag im Glauben an Gott und in der Pflege christlicher Grundwerte erbringen. Unabhängig von Religionen, Ethnien und Nationen kann dieser Beitrag aber auch beispielsweise durch faires Verhalten geleistet werden. Dies darf uns versöhnlich und zuversichtlich stimmen. Denn die Besinnung auf das Wesentliche wird nicht von der Popularität sich wandelnder Begriffe geprägt, sondern von über die Jahrtausende gelebten Inhalten. In diesem Sinne haben wir allen Grund, für die privilegierte Situation dankbar zu sein, in der wir uns als Gemeinschaft und Nation befinden. Diese Erkenntnis spendet gleichzeitig Kraft und Zuversicht für die Bewältigung der Zukunft.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, nutzen wir den hohen Feiertag, um inne zu halten, um uns Rechenschaft darüber zu geben, dass eigenes faires Handeln im Kleinen sich wie die Wellen nach einem Steinwurf ins stille Wasser im Grossen fortsetzen können. Mit diesen Gedanken empfehlen wir euch und alle Mitmenschen samt uns der Obhut des Allmächtigen.

Chur, im September 2013

Namens der Regierung
Der Präsident: Hansjörg Trachsel
Der Kanzleidirektor: Dr. Claudio Riesen
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