Die Regierung gibt den Bericht zur Anpassung des Wahlsystems für den Grossen Rat zur Vernehmlassung frei. Die Anpassung des Wahlsystems für den Grossen Rat ist erforderlich, weil das Bundesgericht den Kanton Graubünden aufgefordert hat, im Hinblick auf die nächsten Erneuerungswahlen des Grossen Rats eine verfassungskonforme Wahlordnung zu schaffen. Ziel der Vernehmlassung ist, klare Hinweise zur politischen Akzeptanz der verschiedenen zur Diskussion stehenden Wahlsystemmodelle zu erhalten.
Das Bundesgericht hat festgestellt, dass das derzeit im Kanton Graubünden für die Wahl des Grossen Rats geltende Majorzverfahren zum grossen Teil, aber nicht in allen Belangen mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar ist. Vor diesem Hintergrund steht fest, dass die Erneuerungswahlen des Grossen Rats im Jahr 2022 nicht mehr nach dem bisherigen Wahlsystem erfolgen können. Dafür werden voraussichtlich eine Verfassungsänderung mit obligatorischer Volksabstimmung sowie die Anpassung von Gesetzen und Verordnungen erforderlich sein.
Gründliche Analyse des Bundesgerichtsurteils
Eine zweckvolle Anpassung des Wahlsystems erforderte im ersten Schritt eine gründliche Analyse des Bundesgerichtsurteils und eine breite Auslegeordnung bezüglich geeigneter, verfassungskonformer Wahlsysteme. Aus diesem Grund wurde bei Prof. Dr. iur. Andreas Glaser, Inhaber des Lehrstuhls für Staats-, Verwaltungs- und Europarecht unter besonderer Berücksichtigung von Demokratiefragen, an der Universität Zürich, zusätzlich eine externe Expertise eingeholt. Der Experte kommt zum Schluss, dass es auch nach dem Urteil des Bundesgerichts eine breite Auswahl verfassungskonformer Wahlsystemmodelle für Graubünden gibt. Das Gutachten ist als Teil der Vernehmlassungsunterlagen öffentlich zugänglich. Die Erkenntnisse aus dem Gutachten bilden eine wichtige Grundlage für den vorliegenden Bericht.
Vielzahl von Lösungsvarianten
In Beachtung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und gestützt auf das Gutachten des Experten ergibt sich eine Vielzahl möglicher Optionen für ein neues Wahlsystem. Die vorgenommene Analyse zeigt auf, wie anspruchsvoll es aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen und der in verschiedener Hinsicht grossen Vielfalt des Kantons ist, ein adäquates Wahlsystem zu finden. Aus diesem Grund hat die Regierung gemäss den vom Grossen Rat im Auftrag Claus vorgegebenen Kriterien eine Bewertung der einzelnen Wahlsystem-Modelle vorgenommen. Für sie kommen demnach grundsätzlich drei Systeme in Frage. Insbesondere in Anbetracht der langen Reihe von demokratischen Entscheiden des Bündner Stimmvolks zugunsten des Majorzwahlsystems könnte die Regierung das Modell A (Majorzsystem) oder allenfalls auch das Modell E (Majorzsystem mit zwei Proporzkreisen) mittragen, wenn sich zeigen sollte, dass sich für eines dieser Systeme eine genügend breite politische Akzeptanz findet.
Regierung favorisiert Doppelproporzsystem
Insgesamt betrachtet entspricht aber aus Sicht der Regierung das Doppelproporzsystem im Verhältnis Kanton mit den bisherigen Kreisen als Wahlkreise (Modell C) den Ansprüchen am besten. Nach Ansicht der Regierung bietet sich mit diesem System eine reelle Möglichkeit, eine lange politische Diskussion um das richtige Wahlsystem für den Grossen Rat im Kanton Graubünden zu beenden und stabile institutionelle Verhältnisse zu schaffen.
Anspruchsvolles Vorhaben
Das Zeitfenster für dieses sehr anspruchsvolle Vorhaben ist äusserst eng und erfordert ein entsprechend angepasstes Vorgehen. Ziel der Vernehmlassung ist, klare Hinweise zu erhalten, wie es konkret um die politische Akzeptanz der verschiedenen zur Diskussion stehenden Wahlsystemmodelle steht. Dazu werden mit einem Fragebogen gezielt Rückmeldungen zu den Wahlsystemmodellen eingeholt. Auf der Basis der Ergebnisse dieser Vernehmlassung soll dann die Botschaft an den Grossen Rat mit den erforderlichen konkreten Anpassungen der Rechtsgrundlagen (Verfassung, Gesetze) verfasst und von der Regierung verabschiedet werden.
Die Beratung der Vorlage im Grossen Rat ist für die Dezembersession 2020 vorgesehen. Die voraussichtlich erforderliche Volksabstimmung ist für den 13. Juni 2021 geplant.
Die Vernehmlassung dauert bis zum 30. Juni 2020. Die Unterlagen dazu sind auf der Webseite des Kantons Graubünden abrufbar.
Auskunftsperson:
Regierungspräsident Dr. Christian Rathgeb, Vorsteher Departement für Finanzen und Gemeinden, Tel. 081 257 32 01, E-Mail Christian.Rathgeb@dfg.gr.ch
Gremium: Regierung
Quelle: dt Standeskanzlei