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Wie kann die Dekarbonisierung im Bündner Rheintal kosteneffizient umgesetzt werden? Diese Frage haben der Kanton Graubünden, die Energieversorger und führenden Industriebetriebe im Bündner Rheintal gemeinsam mit der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) mittels neuartiger Modellierungstechniken untersucht. Die Ergebnisse bestätigen die Einschätzungen des Wirtschaftsforums: Die Dekarbonisierung ist technisch umsetzbar und ökonomisch interessant. Die Studie liefert konkrete technische Umsetzungsschritte und dient als Modellbeispiel, das auch auf andere Regionen übertragbar ist.

Die gemeinsam in Auftrag gegebene Studie bestätigt, dass die Dekarbonisierung des Bündner Rheintals bis 2050 erreichbar ist und die jährlichen Kosten für Aufbau und Betrieb des Energiesystems im besten Fall um bis zu 30 Prozent gegenüber dem Referenzszenario sinken können. Es handelt sich somit um eine volkswirtschaftlich sinnvolle Investition, die jedoch im aktuellen Marktumfeld betriebswirtschaftlich nur eingeschränkt rentabel ist. Zur Erreichung des Netto-Null-Ziels bis 2050 sind diverse Massnahmen erforderlich. Beispielsweise Wärmepumpen, Elektrifizierung der Mobilität sowie Abscheidung und Speicherung der schwer vermeidbaren industriellen CO2-Emissionen. Darüber hinaus würde mit einem Ausbau der Fernwärme die Effizienz und Resilienz des Energiesystems erhöht und das Stromnetz entlastet. Neue Energieträger wie Wasserstoff, synthetisches Methan, Biogas und Geothermie könnten zu einer Diversifizierung der Energieversorgung – vor allem im Winter – beitragen. Gebäudesanierungen leisteten mit ihren Effizienzgewinnen einen Beitrag zur Reduktion des Gesamtenergiebedarfs um bis zu 25 Prozent und die Elektrifizierung der Mobilität und Wärmebereitstellung würden so nicht zu möglichen zusätzlichen Stromengpässen führen.

Einzigartige Zusammenarbeit von Industrie, Energieversorgern und Verwaltung
Zur Frage, wie das Rheintal das Netto-Null-CO₂-Emissionsziel bis 2050 mit maximaler Kosteneffizienz erreichen kann, haben sich Axpo Tegra AG, Ems Chemie AG, Gevag, Holcim (Schweiz) AG, IBC Energie Wasser Chur, Rhiienergie AG, Repower AG sowie das Amt für Energie und Verkehr (AEV) unter der Leitung des Amts für Natur und Umwelt Graubünden (ANU) zu einem Runden Tisch «Energiesystem Bündner Rheintal 2050» zusammengefunden. Unter einer gemeinsamen Kostenbeteiligung haben sie die Empa beauftragt, eine wissenschaftliche Analyse des «Energiesystems Rheintal» zu erstellen, um faktenbasierte Entscheidungen für die Umsetzung des Aktionsplans Green Deal (AGD) zu ermöglichen. Zudem soll die Studie aufzeigen, wie die Unternehmen ihre bestehenden Massnahmen zur Erreichung der Dekarbonisierung verbessern können. «Der Runde Tisch Energiesystem Bündner Rheintal zeigt exemplarisch, dass Lösungen zur Senkung der CO₂-Emissionen nur gemeinsam und in einem transparenten Austausch erarbeitet werden können», erklärt Fabio Wider, Werkleiter Zementwerk Untervaz bei Holcim. Der Runde Tisch wird fortgesetzt, um die im Bericht vorgeschlagenen Massnahmen weiter zu prüfen und zu plausibilisieren.

Komplexe Ausgangslage
Um bis 2050 das Netto-Null-Ziel zu erreichen, müssen insbesondere die heute noch bestehenden Öl- und Gasheizungen durch Heizungen mit erneuerbaren Betriebsstoffen ersetzt und der private und öffentliche Verkehr auf emissionsfreie Antriebe umgestellt werden. Besonders herausfordernd ist die Dekarbonisierung von energieintensiven industriellen Prozessen. Das Bündner Rheintal zwischen Kantonsgrenze und Domat/Ems umfasst gleich vier Industriebetriebe, die bei der Dekarbonisierung grossen Herausforderungen gegenüberstehen: Das Zementwerk von Holcim in Untervaz, die Kehrichtverbrennungsanlage in Trimmis sowie die Ems Chemie und das Biomassekraftwerk der Axpo in Domat/Ems setzen grosse Energiemengen um. Wenn künftig auch noch das schwer vermeidbare CO2 abgeschieden und endgelagert werden muss, so benötigt dies einerseits zusätzliche Energie. Andererseits produzieren diese Anlagen nützliche Abwärme auf verschiedenen Temperaturniveaus, die für den Ersatz fossiler Heizungen genutzt werden könnte. Ebenfalls gilt hervorzuheben, dass bereits ein Teil der Haushalte und Betriebe von den Energieversorgern (Rhiienergie, IBC Energie Wasser Chur und Gevag) mit Fernwärme verschiedener Temperaturniveaus versorgt werden.

Innovative Modellierungstechniken entwickelt
Aufgrund der vorliegenden Komplexität wurde eine neuartige Modellierungstechnik der Empa eingesetzt. Damit lassen sich in einer hohen zeitlichen Auflösung von nur einer Stunde und hoher räumlicher Auflösung alle Energieverbräuche, -umwandlungen und -ströme der verschiedenen Energieträger unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Temperaturniveaus abbilden. Nur schon der Aufbau eines solchen sogenannten «Sektor gekoppelten Multi-Energiesystems» stellt eine wissenschaftliche Innovation dar. Realitätsnahe Modellierungen wurden aber erst dadurch möglich, dass die Industriebetriebe und Energieversorger ihre detaillierten Daten im Rahmen des Projekts bereitstellten. Dieser erhebliche Aufwand aller Beteiligten hat sich gelohnt: Eine Vielzahl von Szenarien und Massnahmen konnten untersucht und der aus volkswirtschaftlicher Sicht voraussichtlich kostengünstigste Weg zur Dekarbonisierung gefunden werden. Die Modellierungen zeigen, dass die heute verwendeten Energieträger Heizöl, Diesel, Benzin, Erdgas und Kohle zum grössten Teil durch Strom, biologische Abfälle, Biomethan, synthetisches Methan und Wasserstoff abgelöst werden. Die Bedeutung der Holzenergie und der Gesamtverbrauch an Strom bleiben etwa gleich wie heute. Letzteres ist vor allem dank einer verstärkten Abwärmenutzung möglich. Die hier angewendete Modellierungstechnik kann grundsätzlich auch auf andere geografische Regionen übertragen werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die betroffenen Unternehmen ihre Verbrauchs- und Produktionsdaten zur Verfügung stellen.

Anschubfinanzierungen durch das Gesetz über die Förderung und Finanzierung von Massnahmen zum Klimaschutz in Graubünden (BKliG)
Obwohl die Umstellung des Energiesystems anfängliche Investitionen erfordert, zeigen die Ergebnisse, dass sich diese Investitionen langfristig volkswirtschaftlich lohnen. Hier kann das Gesetz über die Förderung und Finanzierung von Massnahmen zum Klimaschutz in Graubünden (BKliG) ansetzen, welches vom Grossen Rat in der Aprilsession 2025 beraten wird. Mit dem BKliG wird die Basis geschaffen, Klimavorhaben zu fördern, welche dem Kanton Graubünden helfen, langfristig Kosten zu senken, die Binnenwirtschaft zu stärken und die Abhängigkeit vom Ausland zu reduzieren.

Beilagen:

Weitere Informationen:

www.klimawandel.gr.ch

Auskunftspersonen:

  • Regierungsrat Dr. Jon Domenic Parolini, Vorsteher Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement, Tel. +41 81 257 01 12 (erreichbar von 14.00 bis 14.30 Uhr), E‑Mail Jondomenic.Parolini@ekud.gr.ch
  • Dr. Robin Mutschler, Projektleiter/Gruppenleiter Macro-Energy Systems, Urban Energy Systems Laboratory, Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, Tel. +41 58 765 42 95 (erreichbar von 08.00 bis 17.00 Uhr), E‑Mail Robin.Mutschler@empa.ch

zuständig: Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement
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